Nicht absehbar


Ein endloser Zeitraum wird vergehen, bis unser Telefon wieder so funktioniert wie es sollte. Genauer gesagt liegt es nicht am Telefon, sondern an Hansenet, denn die Nummer führt inzwischen ein seltsam gewähltes Eigenleben. Ruft jemand auf der Schröderschen Zahlenkombination an, landet er bei einem deutsch-spanischen Ehepaar. In einem völlig anderen Stadtteil wohnend, mit einer völlig andere Telefonnummer versorgt, kennen sie nun fast unseren gesamten Freundeskreis.

Nach stundenlangen Telefonaten mit Hansenet, Stecker rein und wieder raus, warten, zurückstellen, warten und Stecker wieder raus, rein, geht immer noch nichts.

Hansenet-Kunden erreichen uns. Die anderen erreichen andere Sphären. S. berichtete mir gestern in einer E-Mail, dass ihr bei falscher Verbindung ein „Jesus sei mit Dir“ entgegenschwappte. Als ich gestern prüfen wollte, ob der Anschluss wieder funktioniert, hatte ich eine tiefe Männerstimme am Apparat. „Der wohnt nicht bei uns“, dachte ich mir, murrte etwas von Hansenet, entschuldigte mich, und auch mir tröpfelte er ein bisschen verbales Weihwasser zum Abschied auf den Kopf: „Gott segne Dich“. Wie nett. Wenigstens kein „Ruf nie wieder an!“

Das Foto ist von der letzten Schneeschwemme, meine Balkondeko.

Song des Tages: Depeche Mode, „Personal Jesus“

4 Wochen

TempEau. – geile Musik. Also – gehet hin, zu den Konzerten! Für Hamburger: 4 Wochen noch, dann geht’s im Knust rund.
Weitere Termine gibt’s hier. Marek Harloff am Bass und Gesang, Jan Plewka (alle ehemaligen Selig-Fans einmal verzückt „Hach“ seufzen) und Stephan Eggert am Schlagzeug (siehe Klammer Jan Plewka).

Im Gästebuch der Bandwebsite meckern Viele, dass lieber Jan anstatt Marek singen soll, dieser Wunsch stößt nicht auf mein Unverständnis, hat Herr Plewka doch ein außergewöhnlich schönes Organ. Die Funkenmariechen-Kleider stehen beiden gleich gut.
Doch in meinen Ohren passt die Mareksche Stimme optimal zu den schnodderig-rockigen Liedern und hey – so ist das nun einmal – die Jobs sind aufgeteilt. Da können Gästebuch-Nöler dann irgendwann einfach mal die Schnauze halten. Muss man sich mal vorstellen – Bandbesetzungen könnten demokratisch von Fans entschieden werden. Wo sollte das enden?

Song des Tages: Julia Hummer & Too Many Boys, „Katherina“

2 Monate und 14 Tage bis Alfons …


… wiederkommt. Ins Alma Hoppe Lustspielhaus in Hamburg. Alfons hat eine Zahnlücke, etwas schmierige Haare und einen Bauchansatz. Alfons ist hinreißend. Denn Dialekt und Dackelblick reißen es raus. Ein Franzose unterwegs, den Mitbürgern mit lustigen und normalen Fragen dumpfe Anworten entlockend, deckt er die manchmal erheiternde, manchmal erschreckende Volkesmeinung auf. Wo bei den meisten Menschen ein Gehirn vor sich hin wabert, befindet sich bei einigen anscheinend eine Müllverbrennungsanlage.
Alfons, der Franzose, steht vorne auf der Bühne, in orangener Jacke. Wir sitzen an einem großen Tisch mit anderen Gästen, die wir nicht kennen. Links von uns ein älteres Paar, welches guckt, als hätte es am liebsten einen Zweiertisch ergattert, rechts von uns Typen, die gucken, als ob sie lieber mit uns an einem Vierertisch sitzen würden. Bei jedem Witz, auch wenn es keiner war, dreht sich der Mann neben mir um, lacht mir ins Gesicht und gibt einen Kommentar ab. „Hahaaaa – herrrrrlich!“ oder „Ja, genauuu! Der war gut!“ Ich möchte nicht genervt sein, denn da vorne steht doch Alfons, doch ich bin es und rücke ein Stück nach hinten, damit er den Kopf nicht mehr drehen kann. Weit gefehlt, er ist gelenkig. Wie eine erstarrte Feldmaus glotze ich an seinem Gesicht vorbei auf die Bühne, doch es nützt nichts. Kurz überlege ich, ob ich pingelig bin, doch ich kann meinen Gedanken nicht hören, er wird übertönt vom Grunzen neben mir. Alfons setzt zu einem Satz an, wirklich – überhaupt noch nicht komisch, da brüllt der Mann, lacht mir ins Gesicht, die Hand haut auf den Schenkel. Jeder amüsiert sich anders. Aber bitte nicht in meine Richtung.

Menschenscheu wäre das falsche Wort, ich mag eben Abstand. Stehe ich im Bus, versuche ich mich immer so hinzudrehen, dass ich niemanden berühre, im Sommer ganz besonders, bekomme ich doch Gänsehautentzündung, wenn mir ein nasser Unterarm an der Hand klebt. Wenn ich dann noch rieche, was mein Busnachbar zum Frühstück hatte oder gestern zum Abendbrot, wie lange er nicht geduscht hat und was er für ein After Shave benutzt, dann würde ich lieber bis nach Mekka pilgern statt Bus zu fahren.

Doch zurück zu Alfons. Ich möchte ihn empfehlen. Auf Alfons‘ Website stehen seine Tourdaten. Geht hin!

Als ich um etwa zehn Uhr zum Auto laufe, ist es mindestens sechs Grad minus. Und doch überwinde ich mich, ziehe einen meiner dicken Fellhandschuhe aus und halte dieses Nachtidyll „Schornstein raucht in die Dunkelheit“ fest.

Song des Tages: Live, „Turn My Head“

Nacktmull


Um auf die Frage von Joshuatree zu antworten (Kommentar, 10. Januar): So sieht ein Nacktmull aus. Eine norddeutsche Spezialität ist er nicht, er lebt in unterirdischen Bauten in den Halbwüsten Ostafrikas. Die Kolonien, in denen er lebt, werden übrigens von Weibchen angeführt! Und es ist das vorteilhafteste Foto, das ich finden konnte.

Kleine Frauen

Dort steht Annett Louisan auf der Bühne, 1,50 Meter müsste sie ungefähr sein, und hält ihre Platinplatte in der Hand. Hier sitze ich, 1,60 Meter, mit einer Käseplatte vor meiner Nase. Die Vorteile für Annett: sie bekommt Geld, Ruhm und Anerkennung. Der Vorteil für mich: Ich muss die Platte nicht selber halten.

Also läuft der Abend im wahrsten Sinne des Wortes über die Bühne. Eine Rede, ein Film, Annett Louisan wird von allen Seiten angesprochen, gelobt, sie lächelt tapfer und posiert für die Kameras. Eine Gold- und eine Platinplatte bekommt sie, und etwa zwanzig weitere Personen, die an der Maschinerie Popmusik die Schrauben festziehen. Während auf der Bühne noch das Gruppenbild arrangiert wird, sitzen Silke und ich auf bequemen Ledersesseln, trinken und essen und amüsieren uns. In einem Gespräch zu späterer Stunde fällt mir ein Bandname nicht ein, verflixt. Ihr wisst schon – wenn man etwas genau weiß, den Namen schon x-Mal gelesen und ausgesprochen hat und dann ist er plötzlich weg. Der eigentliche Skandal: Ich stehe zwischen lauter Musikredakteuren und keiner kann mir anhand des Liedes sagen, wen ich meine… 🙂 Da fallen alle möglichen Namen: Iron Maiden (ich habe gesagt, dass der Sänger GUT aussieht!), sogar Whitesnake … ts.
Ich unterhalte mich weiter, doch der Gedanke gräbt und buddelt in meinen hinteren Hirngruben weiter. Zuhause angekommen, muss ich mich vor den Computer setzen, um den Titel des Songs in Google einzugeben, „My Girlfriend’s Girlfriend“ – und siehe da, der erste Link führt mich hin: Type O Negative! Danke, Google.

Song des Tages: Type O Negative, „My Girlfriend’s Girlfriend“

5 Minuten bis zum Sonderangebot


Gleich werde ich mir die Morgenzeitung schnappen und nach ein paar Seiten auf bunt gewürfelte, mit Supersonderpreisen in Knallsternen gelayoutete Schnäppchen stoßen. Und dann werde ich – wie immer – überlegen, ob ich den Zweihand-Winkelschleifer nicht vielleicht doch irgendewann brauche könnte. Oder einen neuen Bügelbrettbezug? Ich bin das perfekte Opfer perfider Werbeseiten. Anhand meines Naturells erstellen Marktforscher Produktfeldzüge in die Küchen und Wohnzimmer der Ottonormalverbraucher, da bin ich mir sicher.

Dabei haben Supermärkte und ich ein gespaltenes Verhältnis, kommt hier doch stets Murphy‘s Law zum Einsatz. Bei den Einkaufswagen geht es los: Ich habe keinen Euro klein. Also muss ich erst in den Markt, äh Center, bei Walmart heißt das ja Supercenter, nicht Supermarkt. Also ich muss da rein, zu einer der Kassen und suche mir zielsicher die unfreundlichste Mitarbeiterin aus. Mit dem Euro zurück zu den Einkaufswagen. Drei klemmen, einer ist mit irgendeinem eklig aussehenden Kram vollgepackt, der letzte funktioniert. Aber: er ist nicht schön. Kennt Ihr bei Walmart die kleinen Werbeflächen am Griff? Ich bekomme definitiv den, wo sie rausgepult ist, wo sich Dreck und Staub unter einer verkratzten Plastikoberfläche sammelt. Nie bekomme ich einen Wagen mit einer schönen Coca-Cola-Werbung.

Habe ich dann alle Einkäufe in meinen hässlichen Wagen verfrachtet, stehe ich an der Kasse. Und ja, ich bin die, bei der immer ein Preis fehlt. Meinetwegen müsst Ihr warten, denn auch die Bonrolle ist meist zu Ende, sobald ich an einer Kasse stehe. Wenn ich könnte, würde ich meine Mitmenschen vorwarnen. Ein Schild würde ich mir umhängen: „Ich verursache Staus“ oder ähnlich, doch was soll‘s. Inzwischen habe ich Gelassenheit entwickelt. Selbst wenn einen Tag vor Weihnachten beide EC-Karten nicht funktionieren, ich kein Bargeld dabei habe, die Schlange hinter mir immer länger wird und ich betrachtet werde als sei ich asozial. Natürlich funktioniert die Karte dann am Automaten und auch im nächsten Supermarkt. Doch dort ist dann wieder die Bonrolle leer.

Song des Tages: Anouk, „It’s So Hard“

Verkehrter Verkehr

Fast jeden Morgen steige ich auf mein klappriges Hollandrad und trete das schwache Gefährt langsam vorwärts. Und jeden Tag ist es anders. Mal geht im dritten Gang alles, mit Kraft und einem Tempo, welches Supermann aussehen lässt wie einen Nacktmull, flitze ich durch die Straßen, zwölf Minuten bis zur Arbeit ist Rekordzeit. Dann wieder ist alles sehr schleppend. Ab und zu drehe ich mich um, um sicher zu gehen, dass sich niemand heimlich auf meinem Gepäckträger niedergelassen hat und mir damit die Fahrt erschwert, dann schalte ich vom dritten in den zweiten Gang, um nicht plötzlich rückwärts zu fahren. Der erste funktioniert nicht. Und all die Anstrengungen auch nicht. Mit einem Gehwagen wäre ich schneller in Ottensen.

Programm ist, dass an solchen Tagen auch die Autofahrer besonders einzellig unterwegs sind. Beispiel: Ich fahre die Straße entlang. Auto kommt von rechts, hat also Vorfahrt. Ich verlangsame meine Fahrt, damit das Auto passieren kann. Autofahrer verlangsamt auch. Ich werde noch langsamer. Autofahrer bremst. Ich falle vom Sattel. Autofahrer winkt mich freundlich durch. Argh.
Weiteres Beispiel: Autofahrer fährt vor mir. Wird langsamer. Wird wieder schneller. Und langsamer. Ich überhole links. Auto schwenkt nach rechts aus. Bremst. Und gibt nach links fahrend wieder Gas, ohne sich umzudrehen. Annähernd hätte ich den Rest der Strecke auf einem Einrad bewältigen müssen, konnten der Außenspiegel und ich uns doch bereits in die Augen sehen. Argh II.

Song des Tages: Mariha, „Absolutely Entertaining“

Ein weiteres Rätsel

Warum schmeckt es bei Omas immer am besten? Schnöde Hackedellen werden zum Hochgenuss, Salzkartoffeln sind „so lecker wie noch nie“, und die Soße schmeckt auch klumpig besser als alles, was man selbst jemals mit einem Schneebesen bearbeitet hat.

Song des Tages: Dirk Darmstaedter, Podcast-Version von „Possibility Is The Killer“