Erstmalig und einmalig?

Puh, nun sind schon wieder so viele Tage rum und es geht im Stechschritt Richtung Juni. Sommer, ich freue mich auf Dich! Grillen an der Elbe, abhängen im Karoviertel, rausfahren ins Grüne. Schwer beschäftigt bin ich momentan – das erste Wochenende ohne Kind verfeiert, das erste Mal in einer Kirche alleine gesungen, das erste Mal ein Haus gekauft. Außerdem steht Mamas 60. vor der Tür, Fotos von einer Hochzeit wollen bearbeitet werden, ich laufe endlich wieder – ach ja, und die Haare sind ab! Nach so einer netten Beratung bin ich natürlich ein Foto schuldig … kommt nächste Woche.

Musikalisch ist momentan weniger los als mir lieb ist – wo bleibt die perfekte Band? Entweder suchen 16jährige einen Emoshouter oder 50jährige eine Bluesröhre. Kann doch nicht angehen, dass es keine vernünftige Rockband im Alter von 25-40 oder ein nette kleine Jazzcombo gibt, die nicht „richtig durchstarten“ oder sich „den Arsch abrocken“ will.

Eine stinknormale Taxifahrt

Ich sage ja – man ist nirgendwo mehr sicher. Nach einem fröhlich durchtanzten Abend strecke ich um etwa zwei Uhr meinen rechten Arm Richtung Straße, um ein Taxi auf der Reeperbahn zum Stillstand zu bringen. Nichts leichter als das. Schon steht das eierschalenfarbene Gefährt vor mir. In dem Moment, in dem ich in den Sitz falle und „Marktstraße, Ecke Karolinenstraße“ angebe, steigen mir die Tränen in die Augen. Es stinkt. Nicht von Zigarettenrauch oder Pfirsichduftbäumen rede ich. Der Mensch hinterm Steuer hat offensichtlich kurz bevor er rechts rangefahren ist, hemmungslos in das Auto gepupst und sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, das Fenster zu öffnen!!
Während er die Reeperbahn entlangkachelt, versuche ich konsequent durch den Mund zu atmen, wohl ist mir selbst dabei nicht. Als die Budapester Straße in Sicht ist, ordnet er sich in den Linksabbieger ein. Da hat ihm wohl etwas das Hirn vernebelt, denn zum Ziel gibt es nur einen Weg: geradeaus! Auf seinen gewiss unbeabsichtigten Fehler mache ich ihn freundlich aber bestimmt aufmerksam, woraufhin er wie eine besengte Sau Gas gibt und fast ein abbiegendes Auto rammt. „Idiot!“ zischt er gereizt. Ich beschließe, dass sich für 500 Meter eine Grundsatzdiskussion über Fahrgastsicherheit nicht lohnt und springe an der Messe raus. Puh. Im wahrsten Sinne.

Datenzocke

Man ist nirgendwo mehr sicher. Karstadt hat mich vor ein paar Jahren erwischt mit den HappyDigi-Bonuspunkten oder wie die heißen. Jetzt haben sie mich. Meinen Namen, mein Geburtsdatum, meine Adresse. Es würde mich nicht wundern, wenn in irgendeiner Datei auch ein Foto per Überwachungskamera von mir auftaucht, der Mädchenname meiner Mutter, meine Schuhgröße und die Anzahl meiner Ex-Freunde.
Doch inzwischen schlage ich Haken, ich bin auf der Hut. Besonders bei Budnikowsky. Er versucht es immer wieder – mit einem täuschend echten Lächeln zieht er die Ware durch den Scanner, ich zücke mein Geld, alles scheint gut, und auf dem letzten Meter kommt doch noch ein hervorgeschnelltes „Haben Sie eine Budnikarte?“ „Nein … “ Rumms – geht die Kasse zu. Ertappt fühle ich mich, ein Schwall der Rechtfertigung kriecht in mir hoch, ich denke fieberhaft darüber nach, wie ich meine Besitzlosigkeit begründen könnte. Doch er hakt nicht nach, er lässt mich einfach gehen. Puh. Glück gehabt. Dieses Mal.

Dass man in jedem Geschäft Bonuskarten entgegengeworfen bekommt, ist inzwischen üblich – dass man aber noch nicht einmal mehr in Coffeeshops mit der anonymen Masse verschmelzen kann – da kommt echtes Unbehagen auf. So schrieb mir Freundin Sandra gestern folgendes Erlebnis:

Musste neulich sehr an Dich denken, weil ich einen typischen Emma-Blog-Eintrag erlebt habe: Ich stand bei Starbucks (ich hatte einen Gutschein, sonst meide ich diese amerikanischen Tempel des „heißes-Wasser-für-Gold-verkaufens“). Ich bestelle fröhlich meinen Eiskaffee – wurde zunächst überaus freundlich darüber in Kenntnis gesetzt, dass mein Kaffee ohne Kaffee ist und ob das in meinem Sinne sei. War es natürlich nicht, ich gehe schließlich in Coffeeshops, um Kaffee zu trinken.

Also, Bestellung noch mal neu, dann sagt Mrs. Coffee zu mir: „Wie heißt Du?“, ich: „Häh???“, sie: „Wie heißt Du??“ ich: „Häh? Ich wollte einen Coffee to go und keine Freundschaft to go“, sie: „Das brauchen wir für die Becher…!“ Dann rückte ich weiter auf an die Abholstation und nach HERRMANN, war dann auch endlich SANDRA dran mit ihrem Kaffee. Welch Skurrilität! Nicht mal mehr Kaffee kann man unerkannt kaufen …

Böse, fies und gemein

Ich habe ein paar schlechte Eigenschaften. Schokoladensucht, Schlampigkeit und Trödelei mal beiseite gelassen. Ich bin schadenfroh. Nicht in dem Sinne schadenfroh, dass meine dunkle Charakterseite fratzenartige Lachanfälle bekommt, wenn ein Kind mit seinem Dreirad vor ne Mauer fährt oder ein altes Mütterchen seinen Gehwagen schrottet – ich bin angewidert begeistert von Menschen, die sich offenen Auges in die komischsten Situationen begeben. Wie ich in diesem Moment darauf komme? Es ist mal wieder Marathon in Hamburg.

Zwei Nachteile hat die Lage unserer Wohnung in dieser Zeit – man muss dankbar sein, sein Auto im Umkreis von 10 Kilometern zu parken, und einen Ausflug an diesem sonnig gesprenkelten Sonntag kann man getrost vergessen.
Der Vorteil: Der Zieleinlauf ist direkt vor unserer Haustür. Und so werde ich in etwa drei bis vier Stunden nach unten gehen, durch drei Reihen Zuschauer drängeln – man macht kleinen Menschen lieber Platz als großen – und mich an dem grotesken Schauspiel ergötzen, welches stolpernd, schlurfend, humpelnd und wankend an mir vorbeizieht.

Ein Zwiespalt tut sich auf – zieht das Gemeine in mir auf der einen Seite den Hut vor Menschen, die mit 1,70 Metern Länge und Breite rotgesichtig und mit verschwommenem Blick nach fast sechs Stunden Richtung Zielgerade taumeln, so schüttelt es auf der anderen Seite unverständig amüsiert den Kopf, wenn ich dieses Spektakel des medizinischen Wahnsinns betrachte. An weichgeleierte Bänder, überpumpte Herzmuskel, aufgepeitschte Pulsfrequenz und ausgelutschte Sauerstoffsättigung muss ich denken und bin der Überzeugung: Gesund ist das nicht! Und trotzdem gucke ich mit einer ebenso kranken Faszination zu, wie sie ohne Schuhe, fast rückwärts gehend und auf allen Vieren ihre massigen, ausgemergelten oder schiefen Körper durch die letzten Meter schieben.

Sendungen wie „Die zehn schrillsten Auftritte bei DSDS“ sehe ich ebenso gern. Ans Umschalten denke ich mit belustigter Fassungslosigkeit keine Sekunde. Fremdschämen kann Spaß machen. Bei mir geht es sogar so weit, dass ich dasitze und schallend lache, wenn Peter aus Arnsberg Guns-N’Roses-Balladen nuschelt oder Ursula aus Bruchköbel Sarah Connor quiekt. Auf welchem Niveau ich mich damit befinde – das ist mir durchaus bewusst. Und nett ist es natürlich auch nicht. Aber wer ist schon immer nett?

Mallelorca

Vier komma fünf Tage Spaniens deutsche Insel und ein kurzes Fazit: ein geschrottetes Kinderwagenrad (Gepäckverlader haben defnitiv ein Talent für rohe Gewalt), FlipFlop-Striemen an den Füßen, ein bisschen Sonne im Gesicht und ein glückliches Kind.

Wie immer spielen sich bei Kurztrips am letzten Tag die Dinge so ein, dass man noch ein bisschen länger bleiben könnte. Wie dusche ich, ohne das Bad unter Wasser zu setzen? Wie laufe ich in der Nachtschwärze durch den Flur in die Küche, ohne gegen den Stuhl zu treten, und wo bekomme ich das Frühstücksbaguette her? Alles gelernt – und dann reist man ab. Schön war’s.

Hirn zum Mitreisen gesucht

Wenn man durch die Nebenstraßen auf St. Pauli läuft, fällt einem die Dichte der abgewrackten Kneipen auf. „Hammerpreise“ kündigen das billige Besäufnis für 1,50 Euro pro Schnaps an, die Gardinen feiern stolzsteif das 25jährige Jubiläum mit – ohne je den Platz verlassen zu haben, und die Daddelmaschine ist auf Dauerklingeln eingespielt. Was mich immer wieder erheitert, sind nicht die Gestalten, die schon morgens um elf mit der Wange den Tresen abreiben, sondern das, was man als erstes sieht, bevor man durch die Scheibe guckt: der Kneipenname.
Der geht nämlich meist überhaupt nicht. Ich meine damit nicht „Hellas Bierbar“, „Na und?“ oder „Jolly Roger“, sondern seltsame Kreationen wie „Crazy Horst“. Einen Augenblick blieb ich vor dieser Gaststätte stehen und dachte: Der Besitzer muss Horst heißen und sich selbst total crazy finden. Wie neckisch.
Und da komme ich auch schon zum nächsten Thema: Ich hasse dieses Deutsch-Englisch-Kuddelmuddel. Ich könnte spontan brechen, wenn ich mit Menschen spreche, die anstatt vom Wochenende vom „nächsten Weekend“ sprechen. Die etwas „voll crazy“ finden oder „absolut boring“. An meine erste Begegnung mit der Abkürzung „asap“ erinnere ich mich noch genau. Ich dachte: Wieso schreibt die nicht einfach „eilt“? Hat noch nicht einmal mehr Buchstaben. Ist halt nicht so cool.

Nun hatte ich eigentlich vor, jetzt, da ich seit ein paar Tagen 32 bin, endlich zwei Dinge zu wagen: mich vom Kettenkarussel durch die Luft zischen zu lassen und einen Spaziergang durch die Gehgeisterbahn zu machen. Beides habe ich mich noch nie getraut. Ich wäre jetzt bereit, und ich werde es bestimmt wieder nicht schaffen, denn der Hamburger Dom ist nur noch bis zum 22.4. aufgebaut. Und ab morgen geht es für fünf Tage nach Mallorca. Schade. Wirklich schade.

Kniefall und Lackrock

Demut kann angebracht sein, Demut kann aber auch tierisch nerven. Es ist heiß, durch die Luft wabern Rauchschlieren und überall hängen schwarz-weiße Jack-Daniels-Poster. „Es ist so toll, dass wir hier sein dürfen!“, die Stimme des Gitarristen überschlägt sich und ich denke: „Halt doch einfach die Klappe, Alter.“ Hey, der nächste Song klingt gut, die sind gar nicht so übel. Nach etwa drei Minuten und dem letzten Trommelwirbel dann: „Wir sind Fuzzy Casino aus Berlin. Und wir sind total stolz, dass wir hier oben stehen dürfen …“ Ich blende aus, unerträglich. Gleich leckt er noch den Boden sauber. Eigentlich ist auch der nächste Song gar nicht so schlecht, doch dann – wummernder Schlussakkord und warme Abschiedsworte: „Vielen Dank! Wir hoffen, es hat Euch ein wenigstens ein kleines bisschen gefallen.“ Und ab. Ich schüttele mich und meinen Kopf – wie kann man so breiig sein? Wer einen Wettbewerb gewinnt und als Vorband von Jet auf die Bühne darf, der hat da gefälligst mit breiten Beinen und erhobenem Kopf zu stehen und zu sagen: „Na klar sind wir geil, wir supporten Jet!“ Mann, Mann, Mann. Das Zwischensonggeschwafel klemmt diese goldene Auszeichnung in einen randlosen DIN A4-Rahmen, „Schüler rocken“ – so fühlt sich das plötzlich an.

Dann die, auf die alle gewartet haben, die Meute tobt, der Laden knallt fast aus den Nähten, als sie „Are you gonna be my girl“ spielen. Ein besonderes Bild bietet sich in dem hinteren Bereich des Raumes: Ein groß gewachsener Mann, mit Bart und geflochtenen Zöpfen steht hintern den Reglern am Mischpult. Und ich kann mich gar nicht entscheiden, ob ich das rückenbedeckende Tattoo, welches seine Innereien nachzeichnet, schriller finde oder das Dienstmädchenoutfit in glänzendem schwarzen Lack mit weißer Schürze. Oder die Respekt einflößenden hohen Pumps. Da hat tatsächlich jemand eine Wette verloren. Cooler Wetteinsatz.

Jet – heute

Jet – früher

Goldstück

Zwischen Schrillen und Verpeilten finden sich auf Youtube.com ab und an auch Menschen ein, die nicht ins Skurrilitätenregal gehören. Auf der Suche nach Sheryl-Crow-Videos stieß ich auf Ana Free, die ein Cover von Sheryl singt. Und noch viele andere schöne Songs.

Vorzimmerdrachen & Tresenmonster

Warum, verlixt noch eins, gibt es so viele Empfangsdamen und Servicekräfte, die entweder stinkunfreundlich, arrogant oder ignorant sind? Ist das denn so schwer? Hat hier jemand etwas an den Begriffen „Dienstleistung“ und „Kommunikation“ nicht verstanden? Da fällt mir nur eins zu ein: Ab in den Keller, Akten sortieren.

Verhornt und zugeschnitten

Es gibt Dinge im Leben einer Frau, die sie immer wieder beschäftigen: Wo bleibt der richtige Kerl, wie kriege ich das mit dem Weltfrieden hin, woher bekomme ich mehr Schlaf, welche kalorienarme Frühstücksvariante zum Nutellabrötchen gibt es, was lese ich als nächstes, rot oder weiß, wo kann man Stiefel kaufen, in die auch meine Waden passen? Die wichtigste aller Fragen aber ist: Was mache ich mit meinen Haaren? Haare – ein Thema ohne Punkt
Lang, kurz, blond oder blonder, wild und lockig oder adrett geschnitten? Nachdem ich als Baby mit recht spärlichem Haarwuchs auf die Welt kam, band mir meine Mutter für Pixifotos ein Kopftuch um, um meinen kahlen Schädel zu bedecken. Glatze fällt im Frisurenreigen also weg.


Es folgten lange Haarjahre, niedlich, mit Pony.
Mit acht Jahren trug ich lieber Trainingsjacken und fand Mädchengehabe irgendwie doof, also musste der sportliche Kurzhaarschnitt her. Sah dann auch so aus. Furchtbar. Im Urlaub auch gern mal punkig.
Ein harmloser Pagenkopf begleitete mich etwa zwei Jahre bis ins zwölfte Lebensjahr, dann züchtete ich wieder. Und war tussimäßig stolz auf meine schönen langen Haare.
Schwer beeindruckt von der Roten Zora, wünschte ich mir Haare wie sie – feurig und wild! Verwirklicht habe ich diesen Wunsch erst mit 22, der Frisör sagte, diese Pflanzentönung wäre leicht herauszuwaschen. Der Drecksack hat gelogen. Und ich sah aus wie Milva.
Auch die Phase der unsäglichen Blocksträhnenfärbung ließ ich nicht aus.
Es folgte ein radkialer Schnitt – kurz! Ein Aufschrei ging durch den Freundeskreis, mein Vater war entzückt.

Nachdem ich wieder mit langen Haaren durch die Welt frisiere, ist mein Lieblingskommentar von männlicher Seite: „Sieht besser aus. Jede Frau sieht mit langen Haaren besser aus.“ Und wenn es nicht so albern wäre, aus Trotz kurze Haare zu tragen, würde ich es tun. Ob diese Herren Frauen in Hosen schon akzeptieren? Meine Güte.

So sieht die Frisur heute aus, meist gebunden.
Und immer wieder denke ich an den Kurzhaarschnitt, diskutiere mit mir im Stillen, vorm Spiegel und zucke kurz zusammen, wenn ich durch Fensterscheiben von Frisörgeschäften gucke. Und dann bin ich wieder froh, kein Geld, keine Zeit und keinen Mut gehabt zu haben. Und wieder nicht. Können Männer das eigentlich nachvollziehen? Können andere Frauen das nachvollziehen? Noch mehr von meiner Sorte müssen doch da draußen herumlaufen.

Und nun sagt mir – ihr coolen Frauen mit Stil und modernen Männer mit Eiern an der richtigen Stelle – kurz oder lang?