Hacke Couture

Noch einen Tag klappern in New York die High Heels auf Hochtouren, die letzten 24 Stunden der Fashion Week haben begonnen! Immer wieder schaue ich bewundernd nach unten: schwindelerregend hohe Absätze – bis die Füße und schwindelerregend lange Beine ins Bild kommen.

Als bekennender Castingshowjunkie weiß ich um das Geheimnis dieser Kunst. Der Kunst, auf fünfzehn Zentimetern zu balancieren ohne sich dabei einen Trümmerbruch im Knöchel zuzuziehen: Heidi und ihre „Mädchen“ laufen und laufen, dass die Zehen puckern. Das kann man lernen. Kann man? Und was ist, wenn man anatomisch dafür einfach nicht zusammengesteckt ist? Hohe Schuhe habe ich, für meine Verhältnisse geradezu gewagte Modelle: schwarze, hochhackige Wildlederstiefel aus Mailand, graue Schlangenpumps aus Sulingen, schwarze schlichte Pumps von Görtz. Ich finde, ich sehe großartig darin aus. Gehen kann ich damit einigermaßen ohne nach Bachstelze mit Hühneraugen auszusehen.
Kennt Ihr das? Man steht mit dem Auto an einer roten Ampel, eine Frau überquert die Straße – Po leicht nach hinten gestreckt, Oberkörper etwas zu gerade nach vorne gekippt, konzentrierter Gesichtsausdruck. Entweder muss sie dringend zur Toilette – oder sie hat hohe Absätze unter den Füßen.

Ich sehe beim Gehen auf hohen Schuhen also nicht verkrampft aus – geteerter Grund, gerader Weg und trockene Straße vorausgesetzt. Aber: Ich halte es maximal eine Stunde aus. Dann macht mir meine ganz persönliche Konstitution unerbittlich einen Strich durchs Outfit. Entsetzt stelle ich fest: Meine Füße sehen wirklich seltsam aus. Bis vor Kurzem steckte ich sie einfach in Schuhe, und dachte nie darüber nach, ob sie hübsch sind. Und nun muss ich feststellen: Sind sie nicht. Nicht nur sehr platt und viereckig, mit einem hohen Spann und kurzen Zehen – sie sind auch kein bisschen High-Heels-tauglich. Nicht, dass wir uns hier falsch verstehen – ich mag sie trotzdem. Meine Füße machen annähernd jede Sportart mit, können kilometerweit laufen, und sie stehen sehr stabil auf dem Boden, alle beide. Aber für hohe Schuhe sind sie einfach nicht geschaffen. Willst Du mir den Tag versauen, schick mich mit der Aufgabe los, hohe, zierliche Schuhe zu kaufen. Willst Du einer Verkäuferin den Tag versauen, lass mich bei ihr hohe, zierliche Schuhe anprobieren. Meine Füße können Slingpumps zerstören.

Andere können nicht ohne. Wer ordinäre Lederpuschen für seinen Nachwuchs stillos findet, kann bereits die Kleinsten in Kuschelheels stecken, wer sich sagt „Laufen in Sportschuhen – das kann jeder“, sollte sich zum High-Heels-Run der High Heel School Hamburg anmelden. Selbst die Volkshochschule Stuttgart hat den Willen zum Stöckeln erkannt und bietet High-Heels-Kurse an. Faszinierend.

Gern würde ich sagen: Pfff, High Heels – braucht kein Mensch. Man denke an erbärmliche Promifotos von strauchelnden stürzenden Frauen, Models, die auf dem Laufsteg von ihren Wolkenkratzern ins Bodenlose fallen, ich kannte mal eine Frau, deren Archillessehen vom ständigen High Heels-tragen so verkürzt waren, dass sie barfuß mit der Hacke nicht mehr auf den Boden runterkam. Die Tochter eines Bankers aus New York stolperte vor ein paar Wochen auf ihren High Heels in den Tod. Perfekte Kontra-Argumente. Doch ich wäre nur neidisch. Neidisch, weil man mich schon als Baby in Frotteeabsätze hätte stecken können – wäre ich dann in die hohen Hacken quasi reingewachsen? Nein. Ich könnte drei Volkshochschulkurse absolvieren – es würde nichts nützen. Schmerzhaft beleidigt sind meine Füße, wenn man sie höher als 1,5 Zentimeter über den Boden erhebt. Doch bei der letzten Feier hielt ich fünf Stunden in den schlichten schwarzen Pumps durch! Und brauchte zwei Tage bis das Taubheitsgefühl in drei Zehen nachließ. Aber ich sah großartig aus.

Hiebe mit Liebe

Klitschko vs. Charr, 22:48 Uhr, die Ehefrau von Klitschko singt „The Power of Love“. Tolle Stimme. Aber was kommt gleich? Statt Michael Buffer ruft ihn Kai Pflaume in den Ring? Linda de Mol als Nummerngirl?
Oder wie wäre es mit einer runden Familienvorstellung – die Klitschko-Kinder spielen was auf der Blockflöte vor?

Witzig, Witziger, Wolke!

Wenn ich Wolke Hegenbarth hieße, würde ich mich in Grund und Boden schämen. Nicht, weil ich einen komischen Namen hätte, sondern weil ich dick und fett von sämtlichen Bushaltestellenplakaten herunterschauen würde. Nicht, weil ich dick wäre – sondern weil ich eine gertenschlanke, mittelmäßige Schauspielerin wäre, die wunderschöne Kosmetikwerbung macht, und die sich in einen Fatsuit stopfen lässt, um respektlose, demütigende Promotion für eine Serie auf Sat.1 zu machen.
Die Idee mit dem Fatsuit ist so abgelutscht, dass mir vor lauter Gähnen der Kiefer knirscht, die Idee „Zwei Frauen, die sich nicht mögen, tauschen über Nacht durch ein Wunder die Körper“ so vertrocknet, dass die Linde knackt. In diesem Fall sind sie nicht jung und alt sondern dick und dünn.

Und so sieht man Wolke in den Wolken als übergewichtige Frau, inszeniert als King Kong, die durch die Stadt stampft, in einer Hand „die weiße Frau“ – sich selbst in dünn. Die Message von „Hihi“-Hegenbarth: „Das ist die aufwändigste Rolle, die ich je hatte“. Pseudomoralische Reden – dafür ist hier kein Platz, wenn Schauspieler mit betroffenem Blick weismachen wollen, dass sie jetzt wüssten, wie schwer es dicke Menschen haben, wie viel mehr Verständnis sie jetzt hätten – Bullshit.
Aber was soll hier die Message sein?
„Guckt mal, wie scheiße Wolke dick aussieht, und wie großartig in Größe 36?“ – wie interessant!
„Schaut mal, eine Dicke als King Kong“ – wie lustig!
„Ihr könnt ruhig über Dicke lachen, Wolke und Sat.1 tun es doch auch!“ – ach, na dann!
Zeitgleich mit der Serienpromo engagiert sich Wolke als sozialer Mensch – sie übernimmt die Schirmherrschaft für eine Knochenmarkstypisierung, um einem leukämiekranken jungen Mann zu helfen. Wie nett von Dir, Wolke! Bist Du auch so nett, und hältst dem dicken Mädchen, das morgens am Bus neben Deinem Plakat von Mitschülern ausgelacht wurde, die Stirn beim Kotzen?

Als Stefan Raab sie bei einem Fatsuit-Auftritt in TV Total nach ihrer Maske fragt und Hegenbarth von der Firma schwärmt, die dafür zuständig ist, schwafelt sie selbstgefällig menschenfreundliche Dinge wie: „Ja, die machen auch Monster … und Menschen wie mich.“

In einem Interview auf Welt Online äußert sich Hegenbarth 2004 über die Vorbildfunktion ihrer Serienfigur aus „Mein Leben & Ich“:
„Alex rennt nicht jedem Trend hinterher. Sie macht ihr eigenes Ding. Und ist deshalb ein gutes Vorbild“, sagt Wolke Hegenbarth. Wahrscheinlich sei dies der Grund, warum junge Leute die Serie so schätzten. Und warum sie selbst, die Schauspielerin, bei ihnen so respektiert sei.
Vorbild, Respekt …? Kann nicht jeder älter UND klüger werden.

Sagte ich, dass DSDS die hinterste Ecke der untersten Schublade sei? Dieter, rück mal ein Stück, Du bekommst Gesellschaft.

Heidi, Detlef, Sarah und ich

Es ist peinlich. Es macht mich nicht attraktiver. Es lässt mich nicht sehr schlau wirken. Ich heiße Julia Emma Schröder, und ich stehe auf Castingshows. Ich gucke sie alle: GNTM, X-Factor, den dünnen D!Soost, die Stimme Deutschlands. Ich kenne da kein Pardon. Doch. Eins. Dieter Bohlen. DSDS ist mir tatsächlich zu doof, es gibt eine Grenze. Wenn RTL Stampfgeräusche einspielt, und eine etwas korpulentere Frau betritt das Bild – das ist dann die hinterste Ecke der untersten Schublade.

Bei den anderen Formaten werden die Leute auch vorgeführt, jaja. Aber bei X-Faktor etwas netter. Natürlich ist das scheinheilig. Die einen behandeln die Kuh wie ne Sau bevor sie geschlachtet wird, die anderen stellen sie vorher auf eine Weide. Das Ergebnis ist das gleiche.

Du kannst die Hand jetzt wieder von der Stirn nehmen. Nein, ich habe nicht nur ein Grundrauschen da, wo andere Hirn haben. Ich lese gern, nicht „Julia“-Romane, ich lese Nachrichten, Tageszeitungen, Feuilletons, spiegel.de, Interview, Die Zeit, auch Frauenpresse wie Brigitte und Gala, aber auch den Bericht über das Higgs-Teilchen in der Süddeutschen.

Und ich finde es unterhaltsam, anderen Menschen dabei zuzugucken, wie sie sich präsentieren. Das Gefühl des Fremdschämens kenne ich kaum, ich ersticke es mit herzhaftem Gelächter – während andere sich vor Scham auf dem Sofa winden, stecke ich die nächste Weintraube in den Mund und komme aus dem Grinsen nicht mehr raus.

Was sagt das über mich? Bin ich gehässig? Nur ganz selten. Kleingeistig? Nö. Voyeuristisch? Bestimmt. Ich schaue auch gern in Wohnzimmerfenster.
Mit Rechtfertigungen wie „Da sind manchmal wirklich gute Sänger dabei“, fange ich gar nicht erst an – gute Musik habe ich auf CD.

Bin ich mitleidslos? Vielleicht. Ich behaupte: Die wissen, was sie tun. Sie finden sich toll und wollen ins Fernsehen. Mindestens ein Mal lief bereits jede Castingshow. Die meisten fünf bis zehn Mal. JEDER, der bei so etwas mitmacht, hat die Staffel davor gesehen. Und wenn dann Maik aus Maulbronn da vorne steht und meint, er könne singen – und es klingt wie zehnter Akt in den letzten Zügen – dann muss er damit rechnen, negative Kritik zu ernten.

Die anderen sagen: Solche Menschen muss man vor sich selbst schützen. Die verstehen nicht, was sie da tun, dass sie sich lächerlich machen.
Doch wenn Anna aus Appelhülsen auf nem Stern, im Kreis oder sonstwo steht, die Hände in die Hüften stemmt, die Jury verständnislos anguckt und anfängt, zu diskutieren, dass SIE vielleicht meinen, sie könne nicht singen – sie aber von allen ständig gesagt bekäme, sie wäre eine großartige Sängerin – dann tut mir so jemand einfach nicht leid.

Es ist erbärmlich. Es ist niedriges Privatfernsehniveau, niemand guckt es, aber alle haben mal „reingeschaltet“ und natürlich gleich wieder weg. Ich nicht. Ich bleibe 135 Minuten.
Wann fängt eigentlich „The Voice of Germany“ an?

Lebensliste

Wenn ich mich mit 85, grau und runzlig, in meinem Schaukelstuhl beschwipst wippe, möchte ich an ein paar Dinge denken können, die ich in den nächsten 48 Jahren noch tun will. Gestern kam mir in den Sinn: „Perfektes Motorradwetter. Ach, Mist. Hab ja gar keins.“ Und dann erinnerte ich mich an den schönen Film mit Jack Nicholson und Morgan Freeman. Im Gegensatz zu den Filmfiguren bin ich kerngesund und habe auch nicht vor, auf Großwildjagd zu gehen, und doch gibt es ein paar Sachen, die ich als Kind oder Erwachsene nie durfte, konnte oder mich traute:

  • Motorradführerschein machen und durch Schottland fahren
    wie viele Tränen sind geflossen, in den Kämpfen mit meinen Eltern um ein Mofa
  • Ferien auf einem Reiterhof machen
    Auf den Ponyhof durfte ich nie. Und ich war nie eins von den „Pferdemädchen“, mit Pferderadiergummis, -heften und -postern im Zimmer. Doch mit 16 Jahren bin ich 1x geritten und fand es großartig.
  • Gitarre spielen lernen
    Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon angefangen habe, dieses Instrument zu lernen. Unterricht, Lernbücher mit CDs, ich habe sogar eine schwarz glänzende, wunderschöne Westerngitarre. Ich befürchte nur, ich habe kein Talent.
  • mein Buch fertig schreiben
    Ich habe den perfekten ersten Satz gefunden, die perfekte Hauptfigur, ich freue mich auf die Geschichte, und darauf, die anderen Figuren kennen zu lernen. Und  irgendwann nehme ich mir  2 Wochen Urlaub, fahre auf eine Nordseeinsel und tüte das Ding endlich ein.
  • Marathon laufen
    Schaff ich. Schenke ich mir zum Sechzigsten.

  • ein soziales, kulturelles Projekt ins Leben rufen
    Vor ein paar Jahren hatten wir in der Markstraße im Karolinenviertel mal einen kleinen Verein, der speziell Mädchen Kurse, Ausflüge etc. kostenlos anbot. Damals bin ich jeden Morgen daran vorbeigefahren. Und fast jedes Mal dachte ich „Eigentlich kein riesiger Aufwand, wenn viele sich zusammen engagieren würden.“
    Meinen und allen anderen Kindern aus meinem Freundeskreis geht es so unglaublich gut. Sie haben alles – ein Zuhause, genug zu essen, Eltern, die sich kümmern, die ihnen vorlesen, mit ihnen verreisen. Sie haben Spielsachen, Musikunterricht, Sportunterricht – sie sind so unglaublich privilegiert. Und es gibt SO viele Kinder, die bekommen nicht einmal ein Mittagessen oder ein Buch vorgelesen.
    Mädchen und Jungs Gesangsunterricht anbieten, mit ganz Kleinen ein bisschen musizieren. Spielen oder vorlesen – das kann fast jeder. Ich habe bis heute nichts davon verwirklicht. Aber bis 85.
  • Adam Duritz um ein Duett anbetteln
    Natürlich eine totale Spinnerei. Ich finde den immer noch so toll, seit über fünfzehn Jahren. Das hört nicht auf.
  • Haare wieder kurz schneiden
    Und alle Freunde dachten: Endlich ist die Frisurfrage von Julia Emma Schröder geklärt. Sie trägt lang – und gut ist. Nein, leider nicht. Schuld daran ist das Foto einer großartigen Kurzhaarfrisur auf facebook, die Florian Neuhaus geschnitten hat. Könnt Euch also bei ihm bedanken.

Man muss keine Lebenswunschliste haben, aber hat man nicht immer Pläne und Wünsche offen? Ob es Menschen gibt, die nichts vorhaben? Dich sich nichts wünschen oder für die Zukunft vornehmen? Und wie fühlt sich das an? Befreiend, beruhigend oder deprimierend und dumpf?

Klo & Co

Über diesen Text bin ich am Wochenende gestolpert, vor 1,5 Jahren geschrieben. Und mir wurde schlagartig bewusst: Ich schlafe wieder. In Ruhe essen oder telefonieren – das sehe ich noch irgendwo in fernen Galaxien schweben.

Seit drei Minuten stehe ich hinter der geschlossenen Klotür, drücke den Griff  nach oben, halte mit der anderen Hand den Telefonhörer ans Ohr und versuche mit den wachen sechs Gehirnzellen meiner Freundin zuzuhören.
Vor der Klotür steht meine Tochter, 2 Jahre, und versucht seit drei Minuten die Klinke herunterzudrücken. Begleitet von einem spitzen, tränenreichen, kachelablösenden Kreischbrei aus „I aaaauuuuuch!!“ und „Maahaaamaaaa!!“ Ja, ich bin ins Bad geflüchtet, telefonieren.
„Was hast Du gesagt? Ach ja, genau. Nein – sehe ich auch so … Was?“ Mir rutscht der Hörer weg, wo ist verdammt nochmal der Türschlüssel? Rausgezogen und weggelegt, damit mein Sohn sich nicht einschließt. Na toll.

Telefonieren, Zeitung lesen, zur Toilette gehen. Ganz normale Alltagsdinge. Nicht. Mit Kleinkindern zwischen 48 und 108 Zentimetern Körperlänge wird es zu einer wohl zelebrierten Besonderheit. Auch der Gang zur Toilette. Könnten alle Mütter den Satz „Wenigstens mal alleine aufs Klo möchte ich gehen!!!!“ ins Universum brüllen – es wäre ein mehrstimmiger Dauerchor.

„Mamaaaa? Kannst Du mal den Tisch abräumen? Ich will jetzt kneten.“ Ich mit freundlicher Stimme: „Bring Du doch schon mal Deinen Teller in die Küche, ich esse erst einmal mein Brötchen auf.“ Drei Sekunden später: „Mamaaaaa? Bist du fertig mit Essen?“ Ich, mit beherrschter, erklärender Stimme: „Nein, ich habe ja mein Brötchen noch in der Hand. Und ich möchte diesen Artikel mal eben zu Ende lesen. Guck mal, nur noch so lang ist der, ja?“ Zwei Sekunden später: „Mamaaaa? Bist Du gleich …“ Ich, sehr bestimmt: „NEIN! Ich möchte erst zu Ende essen und lesen!!“. Zeitgleich: „ ABER MAMAAAAA! DAS DAUERT SOOO LANGE!!“ Ich: „RUHE JETZT!!“

Kann mir jemand verraten, wie man mit einem vierjährigen chronischen Schlafmangel und halbleeren Magen nicht anfangen soll, unpädagogisch zu werden? Wer bleibt da ruhig? Hand hoch! Natürlich habe auch ich diese Mütter erlebt, die es schaffen, beim dreizehnten „MAMAAAA, ich will JEEEETZT…!!!“ engelsgleich und samtigseicht zu antworten: „Gleich, mein Schatz.“ Die sind anders. Irgendwie sind die anders.

Thank you, Boy!

Stadtparkkonzerte haben eine ganz eigene Magie. Als gestern der Mond hinter uns am Himmel und vor uns auf der Bühne schien, die Sterne hinter Valeska Steiner und Sonja Glass glitzerten, wippten und tanzten rund 4000 Menschen ausgelassen und sangen „Seven little Numbers, Baby, they could be a start …“ – was für eine Atmosphäre! Das Publikum gemischt, aber irgendwie vom gleichen Schlag, viele Dutt-Trägerinnen, viele Tuchträger, Sympathieträger – alle gut drauf – wie sollte man auch nicht? Bei 23 Grad auf der Haut, kühlem Bier in der Hand und zwei bezaubernden Musikerinnen vor der Nase …

BOY sind keine Bühnenneulinge, und doch so erfrischend natürlich und mit so viel Spaß an ihrer eigenen Musik dabei – sehr bescheiden, ungläubig staunend über soviel positive Resonanz und ein nahezu textsicheres Publikum. Jeder Song ist eine Abwechslung, kein Einheitsbrei, immer getragen von Valeskas glockenklarer Stimme, die man überall wieder erkennen würde. Viel zu schnell war das Konzert vorbei – „Time is such a hungry beast“.

Vorbands gab es auch – die erste haben wir verpasst, die danach, „Husky“, war perfekt – man konnte Bier holen, ohne dabei etwas zu verpassen. Leider sehr sehr langweilig („Haben sie das Lied eben nicht schon mal gespielt?“), nicht ein Minifunke sprang über.

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Duzende Dienstleister

„Und was möchte Mama bestellen?“ Ich dachte, ich höre nicht richtig, als der breit grinsende Kellner tatsächlich mich bei diesem Satz anschaut. Am liebsten hätte ich ihn gefragt, ob ihm gerade seine Mutter erschienen wäre und ob ihm nicht gut sei?

Ja, ich habe Kinder dabei und ich bin offensichtlich Mutter. Aber was fällt einem erwachsenen Menschen ein, mich MAMA zu nennen? Gruselig genug ist es doch schon, wenn man hört, dass Ehemänner den Namen oder von mir aus auch Kosenamen ihrer Frau vergessen und stattdessen ebenfalls ins „Mama“ rüber rutschen. Spätestens dann rutscht im Schlafzimmer doch kein Slip mehr. Oder einem bei allen Kursen, die rund ums Kind stattfanden, mit Singsangstimme Mamasätze entgegen geflötet wurden: „Und die Mamas stehen jetzt bitte alle mal auf ….“Ich hatte mal einen Vornamen. Dass den der Kellner weiß, wäre zu viel erwartet. Ein schlichtes „Sie“ würde reichen.