Heidi, Detlef, Sarah und ich

Es ist peinlich. Es macht mich nicht attraktiver. Es lässt mich nicht sehr schlau wirken. Ich heiße Julia Emma Schröder, und ich stehe auf Castingshows. Ich gucke sie alle: GNTM, X-Factor, den dünnen D!Soost, die Stimme Deutschlands. Ich kenne da kein Pardon. Doch. Eins. Dieter Bohlen. DSDS ist mir tatsächlich zu doof, es gibt eine Grenze. Wenn RTL Stampfgeräusche einspielt, und eine etwas korpulentere Frau betritt das Bild – das ist dann die hinterste Ecke der untersten Schublade.

Bei den anderen Formaten werden die Leute auch vorgeführt, jaja. Aber bei X-Faktor etwas netter. Natürlich ist das scheinheilig. Die einen behandeln die Kuh wie ne Sau bevor sie geschlachtet wird, die anderen stellen sie vorher auf eine Weide. Das Ergebnis ist das gleiche.

Du kannst die Hand jetzt wieder von der Stirn nehmen. Nein, ich habe nicht nur ein Grundrauschen da, wo andere Hirn haben. Ich lese gern, nicht „Julia“-Romane, ich lese Nachrichten, Tageszeitungen, Feuilletons, spiegel.de, Interview, Die Zeit, auch Frauenpresse wie Brigitte und Gala, aber auch den Bericht über das Higgs-Teilchen in der Süddeutschen.

Und ich finde es unterhaltsam, anderen Menschen dabei zuzugucken, wie sie sich präsentieren. Das Gefühl des Fremdschämens kenne ich kaum, ich ersticke es mit herzhaftem Gelächter – während andere sich vor Scham auf dem Sofa winden, stecke ich die nächste Weintraube in den Mund und komme aus dem Grinsen nicht mehr raus.

Was sagt das über mich? Bin ich gehässig? Nur ganz selten. Kleingeistig? Nö. Voyeuristisch? Bestimmt. Ich schaue auch gern in Wohnzimmerfenster.
Mit Rechtfertigungen wie „Da sind manchmal wirklich gute Sänger dabei“, fange ich gar nicht erst an – gute Musik habe ich auf CD.

Bin ich mitleidslos? Vielleicht. Ich behaupte: Die wissen, was sie tun. Sie finden sich toll und wollen ins Fernsehen. Mindestens ein Mal lief bereits jede Castingshow. Die meisten fünf bis zehn Mal. JEDER, der bei so etwas mitmacht, hat die Staffel davor gesehen. Und wenn dann Maik aus Maulbronn da vorne steht und meint, er könne singen – und es klingt wie zehnter Akt in den letzten Zügen – dann muss er damit rechnen, negative Kritik zu ernten.

Die anderen sagen: Solche Menschen muss man vor sich selbst schützen. Die verstehen nicht, was sie da tun, dass sie sich lächerlich machen.
Doch wenn Anna aus Appelhülsen auf nem Stern, im Kreis oder sonstwo steht, die Hände in die Hüften stemmt, die Jury verständnislos anguckt und anfängt, zu diskutieren, dass SIE vielleicht meinen, sie könne nicht singen – sie aber von allen ständig gesagt bekäme, sie wäre eine großartige Sängerin – dann tut mir so jemand einfach nicht leid.

Es ist erbärmlich. Es ist niedriges Privatfernsehniveau, niemand guckt es, aber alle haben mal „reingeschaltet“ und natürlich gleich wieder weg. Ich nicht. Ich bleibe 135 Minuten.
Wann fängt eigentlich „The Voice of Germany“ an?

3 Gedanken zu „Heidi, Detlef, Sarah und ich

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