Saugwürmer

Im Hamburger Eichbaumsee ist das Baden seit zwei Tagen untersagt. Der Grund: Saugwürmer oder auch Gabelschwanzwürmer. Das klingt so dermaßen ekelhaft, dass ich keinen Zeh in dieses Gewässer stecken würde.

Dieses aus Entenscheiße entspringende kleine Ungetüm bohrt sich in die obersten Hautschichten, kommt nicht weiter und stirbt ab. Als Andenken hinterlässt es rote Quaddeln, die fies jucken und zehn bis zwanzig Tage vor sich hin schwellen. Mit solchen Badekollegen macht das keinen Spaß. Finden einige nicht – und springen trotzdem rein. Das muss die Sonne sein. Ausgedörrte Hirnzellen.

Absturz

So, nun bin ich extra ein paar Minuten früher aufgestanden, um im kühlen Luftzug die Geschichte zu Ende zu schreiben, da schmiert Word nach der Hälfte des Textes ab. Leider nix gespeichert, und ich bin nicht mit genügend Geduld ausgestattet, um mich jetzt seelenruhig hinzusetzen und den ganzen Kram nochmal zu schreiben.
In solchen Momenten könnte ich den Computer in hohem Bogen aus dem Fenster werfen, um dann mit einem Hammer und Schaum vorm Mund hinterherzulaufen.

Denkwarm

Nachdem ich die 38 Grad im Schatten gestern durch penetrantes „In der Wohnung bleiben“ ausgesessen habe, fließe ich nun leicht und seicht bei gefühlten 30 vor mich hin.
Alles klebt ein bisschen, auch die Hirnzellen, und ich freue mich auf ein großes Eis beim Eisdealer in der Schanze. Noch zwei Tage, dann ist die Nachbarschaftsfortsetzung geschrieben, aber nur in kühlen Abendstunden. Vorher geht nix.

Kein Schlaf in Hamburg

Bevor es mit dem 3. Teil der ersten Erzählung über meine buckelige Nachbarschaft weitergeht, hier drei Videos von Anouk, deren Musik ein Herzensding für mich ist.
Vor zehn Jahren ging man auf Hamburgs Reeperbahn entweder in Technodiscos, Schlager- und Schunkelbuden oder in Rockschuppen. Ich war in den Rockschuppen. Zuerst Kaiserkeller, später Grünspan.
Das erste halbe Jahr musste ich im Kaiserkeller stets meinen Personalausweis vorlegen, nachdem dem Türsteher klar wurde, dass ich volljährig bin und 2-3 Mal die Woche Gast war, durfte ich ab und zu mit zugeflüsterten Losungsworten wie „Karnickelarsch“ die Kasse so passieren. Was für eine geile Zeit – Faith No More, Soundgarden, Live, Stone Temple Pilots, Pearl Jam – und Anouk.

Nachdem ich ausgezogen war und im Sommer 95 meine Ausbildung antrat, übertrieb ich es natürlich hemmungslos, tanzte neben den Samstagen auch montags und donnerstags von 23 Uhr bis 4 Uhr morgens im Kaiserkeller, fuhr mit Fiat Panda, runtergekurbeltem Fenster und raushängendem Kopf wieder Richtung Heimat, kurz vorm Einschlafen. Zuhause haute ich mich entweder noch eine Stunde hin oder duschte gleich doppelt so lange, frühstückte um sechs Uhr, hielt mich mit vier Bechern Kaffee wach und fuhr in die Holsten-Brauerei. Um dort gleich in der ersten Station meiner Ausbildung, der Rechtsabteilung, beim Einzelgespräch mit dem Juristen einzunicken. Ob der Herr Jurist auch so ab und zu aus dem Fenster geguckt hätte, während er seinen Monolog hielt – oder ob er meinen ständig zurückknickenden Kopf dezent überspielen wollte, vermag ich nicht mehr zu beurteilen.
Nach einer Stunde hatte ich blaue Flecke an den Beinen und rote an den Handflächen, da ich mich versuchte, durch selbst zugefügten Schmerz wachzuhalten. Klappte mäßig.

Etwas ungesund sah ich in diesen Jahren aus, wie mir später bestätigt wurde – aber ich fühlte mich super. Zu dem in meinen Augen unerträglich spießigen Alltag war das mein Gegenpol. Den Schlaf holte ich nach. Legte mich an einem Freitag aufs Bett, schaltete um 17 Uhr den Fernseher ein, wollte nur kurz dösen, bis es abends wieder losgehen sollte. Als ich die Augen wieder aufmachte, war es heller Tag und ich seltsam erholt. Das Fernsehprogramm passte nicht zur gefühlten Uhrzeit – inzwischen war Samstag, 10 Uhr morgens.

Nun aber zu Anouk. In Deutschland weniger bekannt, in den Niederlanden ein Superstar, gibt es ein paar Songs, für die ich dieser Frau die Füße küssen könnte. Ihretwegen wollte ich einen Nasenring haben, ich wollte singen wie sie, und Dreads tragen – ich hab’s nie gemacht. Schade eigentlich.

Kaiserkeller-Song. Und mit meiner früheren Band gecovert – Nobody’s Wife

„Michel“ wird immer einer meiner Lieblingssongs bleiben. Ein Lied über das Abschiednehmen. Wehmütig, einfach und schön.

Dieses Lied drückte mir mein Gesangslehrer auf’s Auge. Ein Übungsstück par excellence. Wer nämlich meint, Anouk würde einfach nur ins Mikro brüllen, dem sei gesagt, dass die Frau eine Gesangsausbildung am Rotterdamer Musikkonservatorium absolviert hat – und „Sacrifice“ sauschwer zu singen ist.

Die buckelige Nachbarschaft / Teil 1-2

Ich war tatsächlich eingenickt ;-), hier die Fortsetzung:

Einen Tag später steht M. vor meiner Haustür: „Emma, das war supernett von Dir, dass Du mich bei den Bullen nicht verpfiffen hast – wenn Du Zeit hast, schmeiße ich ne Runde Bier heute Abend.“ „Na klar, klingt gut, um Acht?“
Um zehn nach stehe ich vor einem gefühlt zehn Meter hohen Geländewagen und suche die Leiter – wie kommt ein Mensch unter 1,70 nur in solche Geschosse ohne sich an der Fassade entlang zu hangeln? Mit einem beherzten Hüpfer schaffe ich es auf den Beifahrersitz. Und mit dem naiven Gottvertrauen einer Zwanzigjährigen frage ich erst, als wir auf der Straße sind: „Was wollte die Polizei denn eigentlich von Dir?“ Ein Auffahrunfall also. Mehrere Autos hintereinander ineinander geschoben. Verfahren im Interesse der Öffentlichkeit. Oder so. Jedenfalls geht es um eine Geldbuße, die er monatlich abstottert. Und wenn er mal einen Monat die Überweisung vergisst und die Mahnung übersieht, steht die Polizei eben vor der Tür. Ach so, klar. Hab ich mir doch gedacht, dass das nichts Schlimmes sein kann. Hund P. schnorchelt hinter mir auf der Rückbank, jetzt habe ich wirklich Lust auf ein Bier.

Stundenlang sitzen wir in der Kneipe, klönen und vergessen die Zeit. Ein netter Abend. Als ich auf die Uhr gucke, ist es halb Zwei. Wir zahlen, gehen zum Auto, ich hüpfe auf den Beifahrersitz und zurück geht es Richtung Wohnung. Viel Glück mit der Ampelschaltung haben wir nicht, und so gibt M. an einem kirschgrünen Pfeil einmal ordentlich Gas, um es noch um die nächste Ecke zu schaffen. Zehn Meter weiter verlangsamt er die Fahrt und fährt wortlos rechts ran. Ich bekomme feuchte Hände, mein Puls geht schneller und ich denke: „Und wenn das doch nicht nur ein Auffahrunfall war …?“

Da sehe ich von der Seite das Blaulicht flackern. Puh. „Das war wohl etwas eilig. Die Papiere bitte.“ M. wühlt im Handschuhfach: „Ja, kleinen Moment. Ich habe nur den Fahrzeugbrief, da ich das Auto gerade von Privat gekauft habe. Da steht auch mein Name noch nicht drin, sondern der der Vorbesitzerin.“ „Geben Sie einfach mal her. Wir werden das gleich mal prüfen.“ Der Polizist drückt die Papiere seinem Kollegen in die Hand und geht ein bisschen um das Auto herum. „Komm mal kurz her“, ruft sein Kollege. Die beiden sprechen leise miteinander, da kommt einer von ihnen wieder zum Auto: „Herr M.K., ich muss Sie bitten, auszusteigen und uns zur Wache zu begleiten.“

Was auf der Wache abgeht, was ich damit zu tun habe und wie die Geschichte ausgeht – in Teil 1-3, diese Woche.

Die buckelige Nachbarschaft / Teil 1-1

Nun geht es endlich los, hier der seit langem angekündigte erste Teil der Nachbarschaftsgeschichten aus Zeiten meiner Umzugsodyssee in Hamburg:

Direkt nach dem Abi zog es mich raus, raus in die weite Welt. Vier Stadtteile weiter. Und dort saß ich nun, meinen 20. Geburtstag vor Augen, eine Beziehung wie sie schräger nicht sein konnte und eine wirklich hässliche Wohnung an einer wirklich hässlichen Straße – mit dieser schrägen Beziehung. Als die Beziehung auf freundlichen Wunsch meinerseits nach drei Monaten auszog, ich schadlos meinen 20. Geburtstag überstand, wurde es dann doch noch ein recht schöner Sommer 1995.

Ich räumte mein Bett aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer, damit die leere Sofaecke nicht so trostlos aussah, stellte Topfplanzen in die andere Ecke und machte mich dreimal die Woche mit meinem Fiat Panda auf den Weg in den Kaiserkeller auf der Reeperbahn, um die Nächte bis morgens verschwitzt durchzutanzen. Ich ging auf mein erstes Festival, rauchte meinen ersten Joint, hörte Pearl Jam, verliebte mich in Eddie Vedder (Foto) und Männer, die so aussahen wie er, jobbte und schaute mit wachsendem Grauen auf meine herannahende kaufmännische Ausbildung. Ausbildung. Aus mir sollte schließlich etwas werden.

Die Nachbarn hatten es recht leicht mit mir, ab und zu um fünf Uhr morgens Duschgeräusche, sonst war ich kaum zu Hause. Mein direkter Nachbar M. entpuppte sich als einziger netter Flurkontakt, den Rest im Haus sah ich nie. M. hatte eine Metallwerkstatt für Schiffsbeschläge und einen süßen, sehr verwuschelten Schäferhund mit Schlappohren, P.

Eines Tages klingelt es, zunächst beim Nachbarn, dann bei mir. Ein Mann in grüner Uniform steht vor der Tür: „Guten Tag, sagen Sie, ist der Herr M. K. zu Hause?“ Ich schaue das Männchen mit Mütze unverständig an, drücke auf den Klingelknopf rechts von meiner Haustür, der Ton schallt durch die Wohnung nebenan – nichts. „Nee, also ich glaube nicht, dass der zu Hause ist.“ Eifrig fingert er in seiner Brusttasche herum, seine Mütze rutscht ihm in die Stirn: „Also, wenn der Herr M. K. heute noch nach Hause kommt, seien Sie doch so nett und rufen mich kurz unter dieser Nummer an.“ Verwundert und abgestoßen von dem schiefen, schmierigen Lächeln, antworte ich: „Klar, mach ich.“

45 Minuten später höre ich die Wohnungstür neben mir ins Schloss fallen. Mh. Wenn M. ein Schwerverbrecher wäre, würden die Staatshüter wohl kaum so lapidar vorbeikommen und Visitenkarten verteilen. Oder? Ich trete auf den Laubengang und klingel. P. bellt, M. öffnet die Tür. „Hallo M., vorhin war die Polizei da, die wollen Dich sprechen. Hier ist die Karte, eigentlich sollte ich sie anrufen, aber mach das mal selber.“ „Oh, danke, Emma. Ich kann das erklären.“

Was die Polizei von M. will, warum ich nachts in einem riesigen Geländewagen einem Einsatzfahrzeug folgen muss und mein Girokonto plündere – in Teil 1-2.

Song des Tages: Jack Johnson, „Breakdown“

Noch 1 Tag

Und es wird heiß, liebe Leute. Nicht dieser Quatsch von wegen gefühlte XY Grad, sondern echte, solide, piewarme 29-32 Grad Celsius. Überlegt Euch schon mal, wieviel man anziehen muss, um keine Anzeige am Hals zu haben und wie wenig, um keinen Schlag zu bekommen – und dann schmeißt den Grill an und lasst es Euch gut gehen!

3:1 für Deutschland – wir machen sie nackig!

Song des Tages: Cowboy Junkies, „Blue Moon Revisited (Song For Elvis)“

Nur eine Nacht

Wir liegen im Bett, es ist noch dunkel. Über das Kopfkissen fallen seine langen dunklen Haare. Ich habe Angst. „Muss das denn sein? Kannst du sie nicht verschonen?“ Mit halb geschlossenen Lidern antwortet er: „Du weißt, dass das nicht geht. Ich muss sie töten, sonst vergehe ich.“ , die Wände wispern sich seine sanfte Stimme im Echo zu. Dann schläft er ein.

Mit zittriger Hand schlage ich die Decke zurück und steige aus dem Bett, schleiche zur Treppe und setze mit klopfendem Herzen Stufe für Stufe meine Zehen auf das kühle Holz. Unten angekommen öffne ich die Zimmertür meiner Eltern. Sie schlafen ruhig während ich die Tür hinter mir schließe. „Mama, Papa, schnell, ihr müsst aufwachen! Wir müssen hier weg, sonst bringt er uns alle um!“ Im Schlafanzug springt meine Mutter mit offenen Augen aus dem Bett als wäre sie nie eingeschlafen, mein Vater schlägt die Decke zurück und hat seinen guten Anzug an, als wäre er gerade aus dem Büro gekommen. Vorsichtig drücke ich die Klinke herunter und spähe die Treppe hinauf. Nichts regt sich. Wir laufen in das Erdgeschoss, raus in die kalte Nachtluft, der Wind weht durch mein Shirt und streift mit eisigen Fingern über meine Haut, meine Poren ziehen sich zusammen. Dann sitzen wir im Auto.
Mein Vater steuert den Geländewagen über Baumwurzeln und Schlaglöcher, frierend sitzen meine Mutter und ich auf der Rückbank. „Papa, wir müssen zu Van Helsings Haus! Er ist der Einzige, bei dem wir sicher sind.“ Vorbei an schönen Holzhäusern rasen wir die Allee entlang, doch das letzte Haus ist schnell erreicht – wir sind zu weit gefahren. Meine Hände werden feucht, ich schaue ich aus dem Fenster über die Felder, mein Kopf schmerzt, in meinen Schläfen pocht es. Noch hat er uns nicht gefunden. Noch nicht. Staub fliegt durch die Luft als wir wenden und den Weg zurückfahren, doch wieder kommen wir am Ende der Allee an, ohne unser Ziel erreicht zu haben. „Ich verstehe das nicht, wo ist Van Helsings Haus?“

Wir halten an einem Marktplatz, inzwischen graut der Morgen und die Verkäufer packen emsig ihre Waren aus. Ich bin nass geschwitzt, halte die Hand meiner Mutter. Laut rauscht das Blut durch meine Adern und durch die Flut hindurch vernehme ich seine ruhige, warme und gleichzeitig bedrohliche Stimme. Was er flüstert, kann ich kann nicht verstehen, doch mein Blick saugt sich durch die Menge direkt in seine Augen. Eingehüllt in einen langen schwarzen Umhang steht er zwischen den umherlaufenden Menschen, den Mund leicht geöffnet, die scharfen Eckzähne nun sichtbar, seine Haare wehen im Wind. Seine Lippen bewegen sich nicht, aber ich kann ihn hören: „Versuche nicht vor mir wegzulaufen.“ Er reckt den Kopf gen Himmel und schnüffelt, während er einen Fuß vor den anderen setzt. Mein Blut! Er kann mich riechen! Ich schreie meinen Vater an: „Fahr los!! Schnell!“ Und während wir davonrasen, greife ich zum Benzinkanister und schraube ihn auf: „Hier, wir müssen uns damit einreiben, sonst riecht er uns.“ Meine Mutter und ich streichen das stechend riechende Benzin über Hals, Gesicht und Arme, es brennt, und die Haut fängt an, sich zu spannen. An einem Gasthaus halten wir.

Das Gasthaus steht auf Pfählen, und als wir die Treppe hochlaufen und eintreten, bietet sich uns ein seltsames Bild. Es stehen nur zwei lange helle Tische mit Bänken im Raum, an denen viele Menschen in Gruppen sitzen, ein paar einzelne dazwischen, die isoliert zu sein scheinen. Ich frage den Wirt, was mit den Menschen ist, die so allein dort sitzen. „Vampire sind das. Mit denen möchte niemand etwas zu tun haben. Aber hier im Gasthaus sind sie ungefährlich.“ In dem Moment gellt ein spitzer Schrei durch den Raum, ein männlicher Gast ist aus dem großen geöffneten Fenster gefallen und liegt nun seltsam verrenkt am Fuße eines Pfahles. Die Isolierten heben den Kopf und fangen an zu schnüffeln. Übermut überkommt mich, ich schlendere zu einem besonders nervösen Vampir an das andere Ende des Tisches und stelle mich hinter ihn. Immer wieder schlage ich ihm mit meiner flachen Hand leicht gegen den Hinterkopf: „Na? Worauf wartest Du? Das Büffet ist eröffnet!“

In diesem Moment bin ich aufgewacht, weil mein Wecker klingelte.
Fix und fertig rollte ich mich aus dem Bett und schwor mir, keine Seite mehr in diesem Buch zu lesen. Ich mag Vampirfilme, mich fasziniert dieses Thema, aber für eine Abendlektüre ist mein Nervenkostüm anscheinend zu schwach – und meine Fantasie zu rege. Wer es trotzdem ausprobieren möchte: Tom Holland, „Die Botschaft des Vampirs“ Keine Ahnung, ob das Buch gut ist, ich bin nur bis Seite 40 gekommen.

Song des Tages: The Goo Goo Dolls, „Iris“