Porno wider Willen

Im Rotlichtbezirk in einen dunklen Tunnel geraten. Schuld daran ist meine Konfirmandenblase. Nach etlichen Bieren um drei Uhr nachts schaffe ich es nicht mehr nach Hause. Im Lehmitz soll man nicht aufs Klo gehen, wenn einem seine sauberen Hosenbeinenden lieb sind. Spielhalle – das scheint die Lösung. „Wo willst Du hin?“ „Äh, könnte ich mal kurz Eure Toilette benutzen?“ „Nein!“ „Nein?“ „Nur, wenn Du hier Kunde bist.“ Also weiter.
F. meint: „Geh doch da rein.“ Und zeigt auf ein neonblau erleuchtetes Etablissement, welches in großen weißen Buchstaben „SEX“ ankündigt. „Öhm, vielleicht schaffe ich es ja doch noch bis nach Hause …“ wabert es durch mein gerstensaftumspültes Hirn, da auch schon die Antwort vom Tresen: „Eigentlich ja nich, ne, aber weil Ihr sooo nett fragt …“ Und schon folge ich der angewiesenen Treppe Richtung Keller, sage noch lustig: „Wenn ich in zehn Minuten nicht wieder da bin, kommste mich suchen, ja?“, und steige ins Dunkel hinab.

Unten angekommen rechne ich mit Toiletten zur Rechten oder Linken. Nix da. Richtung WC deutet ein Schild den Tunnel runter. Alles Schwarz. Lauter Gänge. Und Lärm. Gestöhne. Dümmliche Stimmen, inhaltsleere Dialoge, Monologe, Schmatzen, Seufzen, Lallen, Flüstern. Und Gestöhne. Ich dusel den Gang entlang, über mir gefühlte 200 Bildschirme, auf denen Pornos laufen. Diverse Öffnungen, in denen diverse Sachen stecken, hysterisch aussehende Gesichter, und wieder ein Toilettenschild. Und ein einziger Gedanke: „Ach du Scheiße.“
Bei den WCs angekommen der beruhigende Anblick – eine ganz normale Kloschüssel, keine Löcher in den Wänden, kein Werkzeug oder ähnliches. Einfach mal Pinkeln gehen.

Sehr erleichtert möchte ich schnell wieder ans Nachtlicht der oberirdischen Reeperbahn und laufe geradeaus.
Bin ich nicht doch abgebogen? So sah das vorhin nicht aus. Ein anderer Film, aber auch sonst. Ich beschließe, abzubiegen. Und noch mal rechts – und stehe in einem kleinen Raum, vor mir eine Lederschaukel. Falsch. Links rum. In einem noch kleineren Raum stehe ich, der von einem riesigen Bildschirm ausgefüllt ist – direkt vor mir wedelt ein 1,20 Meter großer erigierter Penis. Auch falsch.
Den Gang zurück sitzt hinter einer Art Bande ein Typ ganz hinten in der Ecke und glotzt mich leer an. Dass man wirklich nur zur Toilette wollte, das muss man dann erstmal erklären können, denke ich mir. Und dass ich den „Ausgang“ suche – wer weiß, was der darunter versteht?
Im Kreis drehe ich mich, und Panik steigt auf – da sehe ich endlich das erlösende, grün-weiße Zeichen: Notausgang. Kann nicht so verkehrt sein. Nach zwanzig Sekunden stehe ich wieder unterm Nachthimmel, die blauen Lichter scheinen auf den Bürgersteig, vor mir prangen die Worte „SEX“ und „PORNO“. Danke, reicht für heute.

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