Bevor es mit dem 3. Teil der ersten Erzählung über meine buckelige Nachbarschaft weitergeht, hier drei Videos von Anouk, deren Musik ein Herzensding für mich ist.
Vor zehn Jahren ging man auf Hamburgs Reeperbahn entweder in Technodiscos, Schlager- und Schunkelbuden oder in Rockschuppen. Ich war in den Rockschuppen. Zuerst Kaiserkeller, später Grünspan.
Das erste halbe Jahr musste ich im Kaiserkeller stets meinen Personalausweis vorlegen, nachdem dem Türsteher klar wurde, dass ich volljährig bin und 2-3 Mal die Woche Gast war, durfte ich ab und zu mit zugeflüsterten Losungsworten wie „Karnickelarsch“ die Kasse so passieren. Was für eine geile Zeit – Faith No More, Soundgarden, Live, Stone Temple Pilots, Pearl Jam – und Anouk.
Nachdem ich ausgezogen war und im Sommer 95 meine Ausbildung antrat, übertrieb ich es natürlich hemmungslos, tanzte neben den Samstagen auch montags und donnerstags von 23 Uhr bis 4 Uhr morgens im Kaiserkeller, fuhr mit Fiat Panda, runtergekurbeltem Fenster und raushängendem Kopf wieder Richtung Heimat, kurz vorm Einschlafen. Zuhause haute ich mich entweder noch eine Stunde hin oder duschte gleich doppelt so lange, frühstückte um sechs Uhr, hielt mich mit vier Bechern Kaffee wach und fuhr in die Holsten-Brauerei. Um dort gleich in der ersten Station meiner Ausbildung, der Rechtsabteilung, beim Einzelgespräch mit dem Juristen einzunicken. Ob der Herr Jurist auch so ab und zu aus dem Fenster geguckt hätte, während er seinen Monolog hielt – oder ob er meinen ständig zurückknickenden Kopf dezent überspielen wollte, vermag ich nicht mehr zu beurteilen.
Nach einer Stunde hatte ich blaue Flecke an den Beinen und rote an den Handflächen, da ich mich versuchte, durch selbst zugefügten Schmerz wachzuhalten. Klappte mäßig.
Etwas ungesund sah ich in diesen Jahren aus, wie mir später bestätigt wurde – aber ich fühlte mich super. Zu dem in meinen Augen unerträglich spießigen Alltag war das mein Gegenpol. Den Schlaf holte ich nach. Legte mich an einem Freitag aufs Bett, schaltete um 17 Uhr den Fernseher ein, wollte nur kurz dösen, bis es abends wieder losgehen sollte. Als ich die Augen wieder aufmachte, war es heller Tag und ich seltsam erholt. Das Fernsehprogramm passte nicht zur gefühlten Uhrzeit – inzwischen war Samstag, 10 Uhr morgens.
Nun aber zu Anouk. In Deutschland weniger bekannt, in den Niederlanden ein Superstar, gibt es ein paar Songs, für die ich dieser Frau die Füße küssen könnte. Ihretwegen wollte ich einen Nasenring haben, ich wollte singen wie sie, und Dreads tragen – ich hab’s nie gemacht. Schade eigentlich.
Kaiserkeller-Song. Und mit meiner früheren Band gecovert – Nobody’s Wife
„Michel“ wird immer einer meiner Lieblingssongs bleiben. Ein Lied über das Abschiednehmen. Wehmütig, einfach und schön.
Dieses Lied drückte mir mein Gesangslehrer auf’s Auge. Ein Übungsstück par excellence. Wer nämlich meint, Anouk würde einfach nur ins Mikro brüllen, dem sei gesagt, dass die Frau eine Gesangsausbildung am Rotterdamer Musikkonservatorium absolviert hat – und „Sacrifice“ sauschwer zu singen ist.
Danke für die Links – hört sich sehr gut an. Und ist tatsächlich schwer zu singen, da sie sehr persönlich singt, einen eigenen Stil hat. Imvho zwischen Björk, Kate Bush und Sinéad O´Connor.
Ich bitte trotzdem inständig um Beendigung Deiner Story :-).
Die hab eich ganz…vergessen. Altersdemenz. Hab sogar irgendwas auf Vinyl. Werde mal heute Abend danach kramen.
Und die Atmosphäre in Deiner geschichte, die ist toll. Die war auch bei mir „damals“ so toll.
@joshuatree – stimmt! und technisch einfach sehr anspruchsvoll.
story wird beendet – ist ja fast fertig.
@brittbee – auf vinyl ist natürlich noch besser. ja, das war echt eine gute zeit. damals habe ich nie gedacht, dass das mal aufhören könnte.
Oh. Vor zehn Jahren erreichte ich Hamburg. Und das „neue“ Grünspan, den Kaiserkeller. Aber mehr an den Düsterabenden 😉
Nobody’s Wife habe ich sehr geliebt. Schön, den Song mal wieder zu hören.