Im Herzen Bud Spencer

„Aber Mama, ich habe ihm schon gesagt, dass er aufhören soll, mich dauernd zu schubsen.“ Okay – 1. weggehen, 2. Hand entgegenhalten und laut „Nein“ sagen, 3. der Kindergärtnerin sagen, dass B. nicht aufhört zu schubsen – die drei Sachen sind also alle abgehakt? „Dann schubs ihn zurück. Und zwar so, dass er es nicht noch einmal macht.“ „Aber Mama, das darf ich nicht.“ Ich sitze neben meinem Fünfjährigen und komme mir vor wie Drei. Merke, wie meine Lippen trotzig verkniffen sind, die Schultern etwas hochgezogen, die Fäuste geballt. Aber hinter der Drei steht bei mir noch ne Sieben. Und Pädagogik? Keine Urkunde. Hamburger Durchschnittsmutter, hormongeschüttelt, dem Adrenalin ausgeliefert. „Emotional“, sagen meine Freunde, „aufgedreht“, wahrscheinlich die, die lieber nicht mit mir befreundet sind.

Großartig finde ich es, dass mein Kind zu einem gewaltlosen Miteinander erzogen wird – von öffentlicher Seite – und Zuhause. Schon früh konnten Sohn und Tochter mit dem Satz „Nur dumme Menschen hauen“ etwas anfangen. Wir können streiten, aber wir hauen nicht. Meine Erziehung!

Und in den nächsten fünfzehn Jahren werde ich den Teufel tun, meinem Sohn zu erzählen, dass ich den Wunsch, jemandem so richtig eine zu verpassen, so richtig gut verstehen kann.  Dass ich mir manchmal wünsche, 1,90 Meter zu sein, männlich, mit Bizeps, Trizeps und sonstigen Zeps.

Ich habe mich noch nie richtig geprügelt, ich finde das ordinär, kleingeistig und unattraktiv. Doch ich war schon immer mit zwei sich gegenseitig sehr aufschaukelnden Eigenschaften ausgestattet: einem gnadenlosen Gerechtigkeitssinn und einem aufbrausenden Temperament.

Bereits in der Grundschule bereitete mir diese Mischung anstrengende Stunden. An einem fürchterlichen Wochentag schaffte ich es nicht mehr rechtzeitig zur Toilette, die Hose war nass. Es war mir zu peinlich, zum Sekretariat zu gehen, um meine Mutter anzurufen, also versteckte ich meinen Sportbeutel, band mir meine Jeansjacke um die Hüften und setzte mich in der Sportstunde auf die Bank.
Mitschülerin M. hatte Wind davon bekommen, rannte an der Bank vorbei und zischte mir zu: „Du stinkst!“ Noch heute fühle ich die Hitze in meine Wangen steigen und die Tränen der Wut und Scham, die mir in die Augen schossen. Mir war danach, ihr hinterherzulaufen, um ihr das Springseil um die Ohren zu hauen.

Vor der nächsten Sportstunde entschied ich mich stattdessen dafür, ihr in der Umkleidekabine vor allen die Unterhose runter zu ziehen. Hatte auch einen guten Effekt.
Sie war fuchsteufelssauer, alle schrien,  und der Klassenlehrer schrieb mal wieder eine Notiz an meine Eltern. Das war es mir wert.
Es hätte mir nicht gereicht, ihr diplomatisch zu sagen „Ich möchte nicht, dass Du so gemein zu mir bist.“ Ich wollte es spürbar machen.

Kennt das nicht fast jeder? So einen Moment, wo jemand vor Dir steht, mit dem reden einfach nicht mehr angesagt ist? Ob das eine Lösung ist? Nein. Selbstbeherrschung ist wichtig, Situationen einschätzen ebenfalls: Mit Zwanzig schlenderte ich mit einem Freund in einer Samstagnacht über die Reeperbahn, ein großer Pulk junger Männer kam uns entgegen, ausweichen war zu spät, also mittendurch. Ich wusste genau, wer von denen mir im Vorbeigehen zwischen die Beine gegriffen hatte. Wonach mir war, möchte ich hier nicht geschrieben sehen – doch ich beherrschte mich. Etwa zwölf Proleten, alle angetrunken und enthemmt, und  meine Begleitung hätte wahrscheinlich kein Nasenbein mehr, hätte ich meinem Impuls nachgegeben.
„Leg Dich nicht an, steck so etwas weg“, hallte mir die Stimme meiner Mama im Kopf, die immer Angst hatte, dass ich meinen Mund im falschen Moment zu weit aufmache, im falschen Moment zurückremple oder mit den falschen Leute eine Diskussion anfange.

Gewalt ist keine Lösung. Amen. Und trotzdem bereue ich es bis heute nicht, meiner Mitschülerin S. auf den Arm geboxt zu haben. Die Größte in der Klasse war sie, ich die Kleinste. Meine beste Freundin C. war gerade dabei, die Faschingsdeko aufzuhängen, als S. sie mit den Worten „Ich mach das!“ grob von der Leiter schubste. Ich hatte schon Respekt davor, dass sie mich schnappt, doch für diese Runde war ich schneller.

Und heute? Ich schaue lieber zu, wie die Klitschkos jemanden vermöbeln. Älter und weiser bin ich natürlich. Meine Kinder dürfen nicht um sich schlagen. Aber sie sollen auch keine Opfer sein. Das ist widersprüchlich? Nicht immer.

Und ich? Mehr als 1,60 Meter sind nicht draus geworden. Aber ordentlich Bizeps vom Kindertragen und genügend Grips, um keinen zu hauen. Ehrlich nicht. Mach Dir keine Sorgen, Mama.

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