Bei der Lektüre des spiegel.de-Artikels rutschen mir die Spaghetti Napoli eine Etage nach oben: Heribert Schwan plant ein Enthüllungsbuch über Helmut Kohl. Er habe 630 Stunden unveröffentlichtes Tonmaterial. Eine beeindruckende journalistische Leistung – als Ghostwriter der Memoiren von Kohl und acht Jahre langem Zugang zu jedem Teppichfussel, Einblick in jeden verschmierten Ketchupflaschenhals, jedem Einkaufszettel, Spendenbeleg und jedem Satz der Stasiakte.
Drei Bücher zaubert er aus dem interessanten und juristisch korrekten Material, die brisanten Details lassen Kohl und Schwan im Rohmaterial ruhen.
Und fünf Jahre später, an einem schönen Sonntagabend, sitzt Schwan bei Tatort und Abendbrot, kaut auf ner rohen Karotte und ihm fällt siedenheiß ein: „Mensch!! Ich hab ja noch ganz viele tolle Informationen über den Kohl. Und für die nächsten Monate noch kein neues Projekt – das passt ja super.“ ??
Vielleicht war er zu sehr mit dem Enthüllungsbuch über Hannelore Kohl beschäftigt, welches er 2011 veröffentlichte … Oh, auch ein Enthüllungsbuch. Das ist ja ein Zufall.
„Einen Rechtsstreit mit dem Altkanzler fürchte er nicht, da er nie eine Vereinbarung unterschrieben habe, die ihn zur Verschwiegenheit verpflichte.“ (spiegel.de)
Wie kann ich mir das vorstellen? Helmut Kohl engagiert Schwan, um für ihn seine Memoiren zu schreiben. Schwan zeichnet alles auf, und Kohl vergisst zwischen öffentlichen Verpflichtungen und wöchentlicher Autowäsche, jegliche Rechtsfragen zu klären und vertraglich festzuhalten? Stocknaiv wäre er. Eine Eigenschaft, die ich mit diesem Mann nicht in Verbindung bringe. Und welcher Charakter verbirgt sich hinter Schwan? Hinterhältig? Geltungssüchtig? Was macht er eigentlich gerade? Ach ja, er liest seine Hannelore-Enthüllungen vor, läuft gut für ihn. Und – stimmt, er ist in Rente. Na, da ist es doch schön, wenn man ein Hobby hat.
Ich bin kein Kohlfan und ich bin kein Schwanenhasser, aber ich mag es, wenn jemand mit den Begriffen „Menschlichkeit“ und „Anstand“ etwas anfangen kann. Leid tut mir Kohl nicht, seinem Beichtvater qualmen bestimmt auch die Ohren – und Personen des öffentlichen Interesses müssen damit rechnen, das Messer von hinten durchs Auge zu bekommen. Doch das, was Schwan „eigenen Exzerpte (…) meine geistige Leistung“ (spiegel.de) nennt, ist widerlich. Wäre es das reine Interesse, Licht in die Spendendaffäre zu bringen, hätte er seine Informationen der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Aber nicht in Form eines gebundenen Buches.