Mein Kind bin ich

„Meine Kinder sind die Besten. Und was sie schon alles können! Natürlich kann der Kleine schon Fahrrad fahren. Ja, NATÜRLICH ohne Stützräder. Ach, Deine kann das noch nicht? Wann wird sie nochmal Fünf? Ah ja … Aber nein, mein Lächeln ist nicht herablassend, eher mitleidig.

Ich bin wirklich sehr darum bemüht, dass alles auf dem richtigen Entwicklungsstand ist. Müsste ein Kind mit vier Jahren eigentlich schon Plusrechnen können? Mh. Lese ich nachher mal nach. Aber beim Sprechen – da sind beide ja wirklich talentiert. Schon viel früher als andere konnten sie Vierwortsätze bilden.
Wie bitte? Ob er nachts schon trocken ist? Phhhhh. Das ging wie von selbst. Durchgeschlafen haben beide mit acht Wochen, und Brei essen – war auch kein Problem.

Überhaupt ist bei uns alles total entspannt.

ICH bin total entspannt.

Nur jetzt ist die Große schon seit vier Wochen in der ersten Klasse – sollten sie nicht bald mal mit dem Lernen anfangen? Wir haben sie extra so früh eingeschult, nun sollte man doch nicht so viel Zeit verlieren.
Der Vorteil, den sie später als junger Berufseinsteiger hat, der ist schließlich nicht von der Hand zu weisen. Ein Jahr früher eingeschult bedeutet ein Jahr früher im Job. Bedeutet ein Jahr früher die ersten Hundertfünfzigtausend verdienen.

Leistungsdruck? Aber nein. Ich schaue nur, dass sich meine Kinder in der Gewinnerzone aufhalten (und ich stehe dort direkt neben ihnen). „Endstück“ hat meine Tochter heute schon geschrieben. Ist das nicht toll? Ich bin so stolz! Und eigentlich langweilt sie sich ja sehr in der 1. Klasse, sie ist völlig unterfordert.
Manchmal habe ich den Verdacht, sie könnte hochbegabt sein.

Und sie ist ja schon SO selbstständig. Überhaupt finde ich diese Bemutterung von Grundschulkindern wirklich überflüssig, sie waren lange genug klein. Überforderung? Ich bitte Dich! Meine Kinder sind intelligent genug (Deine anscheinend nicht). Die sind schon SO vernünftig. Was sagst Du? Kinder dürfen und sollen unvernünftig sein? Ist das nicht etwas verklärt?

Na ja, es gibt natürlich auch Grenzen mit den eigenen Entscheidungen. Das Abi sollten sie schon machen, eine Stadtteilschule wäre für unsere Familie wirklich nicht akzeptabel. Nein, ich habe nicht studiert. Aber das ist doch ganz was anderes.

Ach was! Ich profiliere mich doch nicht über die Leistung meiner Kinder. Das habe ich gar nicht nötig.Wie bitte? Ich poliere auf ihre Kosten mein angeschrammtes Selbstbewusstsein?
Ts. Du bist ja nur neidisch.“

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