4 Tage

Bis diese grässliche Woche zu Ende ist. Grau, Schneematsch, Grau, Regen, Grau. Lustig ist das doch nicht mehr. Gestern mit dem Fahrrad fast auf‘s Gesicht gepackt, da die Thadenstraße so vereist war, nasse Jeansbeine, eiskalte Finger in dicken Handschuhen. Fiese kleine Meckermonster laufen durch meine Nervenbahnen, zerren daran herum und zertrampeln meine Neurotransmitter – das macht maulig und ungerecht.

Das einzig Interessante, was dieses Wetter irgendwann zwangsweise mit sich bringt, ist die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Und obwohl ich zu der Spezies gehöre, die unfreiwilligen Körperkontakt aufgrund von Platzmangel quälend findet, beobachte ich fasziniert das Drumherum: Menschen, die mit sich selbst sprechen – da höre ich gern zu, vielleicht haben sie sich ja spannende Dinge zu erzählen. Frühsport an „Wir trennen Müll“-Behältern – ein Bein rauf und Dehnungsübungen andeuten – da gucke ich gern zu, vielleicht lerne ich noch etwas?
Nur wenn jemand wie festgeschraubt neben mir steht und mir die ganze Zeit mit einem nicht zu deutenden Ausdruck ins Gesicht starrt, da gehe ich lieber weiter.
In diesem Stadtteil gibt es eben doch noch mehr Drogen als Dönerbuden.

Song des Tages: Black Rebel Motorcycle Club, „Ain‘t No Easy Way“

Fragezeichen

Ein Wochenende offline, leichte Entzugserscheinungen stellen sich ein. Könnte auch mit der ungewohnt heftigen Sauerstoffzufuhr durch gestriges Joggen in den Wallanlagen zu tun haben. Egal, hier der Fragebogen von Matt und Mek:

Vier Jobs die ich mal hatte:
# Eisverkäuferin
# Fließband-Warenrücknahme beim Otto-Versand
# Flohmarktordner
# Kellnerin

Vier Filme, die ich mir immer wieder ansehen kann:
# König der Fischer
# Rocky IV
# Wie im Himmel
# Italienisch für Anfänger

Vier Städte in denen ich gelebt habe:
# Hamburg
# Amsterdam
# München
# Hamburg

Vier TV Shows die ich liebe:
# Genial daneben
# NDR-Talkshow
# Desperate Housewifes
# und mehr fällt mir nicht ein

Vier Plätze an denen ich Urlaub gemacht habe:
# Kaua’i (Hawaii)
# Amsterdam
# Laboe
# Seattle

Vier Sachen, die ich gerne esse:
# Nudeln, in jeder Form und Farbe
# Schokolade
# Bananenbrei
# Käse

Vier Seiten, die ich täglich besuche:
# Die Rückseite der Reeperbahn
# Joshuatree
# Mequito
# Lyssas Lounge

Vier Plätze, an denen ich jetzt lieber wäre:
# links von der Sonne
# rechts von der Sonne
# unter der Sonne
# am Strand in der Sonne

Vier Leute, die diese Fragen auch beantworten sollen:
# Joshuatree
# eigentlich Carlos, Cyberholic – machste sowas?
# Zahnwart
# Poldisgirl

Das war’s? Das war’s. Prima, ich muss los.

Song des Tages: Arctic Monkeys, „Mardy Bum“

Elefantenmus


Manche Vorlieben sind interessant. Und ich rede hier nicht von Lack, Leder oder Gummi, von Menschen, die gern beschimpft werden oder nie vom Schnuller loskommen.
Essensgelüste meine ich, Gerichte, die uns seit unserer Kindheit nicht aus ihren geschmacklich verirrten Klauen lassen – Brot mit Butter und fingerdick Zucker drüber zum Beispiel. Großartig. Doch nichts, aber auch gar nichts kam an Bananenbrei heran, und der geht folgendermaßen: eine Banane, mit der Gabel zerdrücken, zwei bis drei Schuss Dosenmilch darüber, einen Teelöffel Zucker – und alles vermischen. Zugegeben, es sieht ein bisschen aus wie Kotze, schmeckt aber fantastisch. Einfach Augen zu beim Essen.

Schönster Satz nach einem Abend im Aurel: „Darf ich was Doofes sagen? Pass bitte auf mit den Kopfhörern beim Fahrrad fahren.“
Ich mag es, wenn Freunde genauso gluckig-besorgt sind wie ich. Das gibt mir ein warmes Gefühl.

Song des Tages: Jeff Buckley, „Hallelujah“

Mitgehört

Unterhaltung zweier 14jähriger:

„Ey Digger, lass ma heute noch was starten ey.“
„Joooaah, ma sehen ne …“
„Digger, Digger!! Wir müssen noch was reissen ey, Digger, wo geht denn was?“
„Öööh. Weiß nich, Digger“
„Digger, jeder muss seine Geschäfte machen. Lass mal zu dem Center, die Schließfächer sind leicht ey.“
„Okay, Digger, können wir machen …“
„Das wird cool, Digger. Ich sach Dir, Digger, das is voll easy.“

Gern wäre ich erzieherisch tätig geworden. Aber diese Kinder waren zwei Köpfe größer.

Song des Tages, ganz groß: Skid Row, „In A Darkened Room“

Hauptstadtnächte


Zwei Frauen in Berlin: 2 Nächte & 9 Stunden Schlaf, Becks & Rotwein, Russenpension & Klokombüse, Espressobar & neue Menschen, Niels Frevert & Erdmöbel, Mavi-Jeans & Modeparty, 6-Tage-Rennen, Italiener & 60ies-Soul, Gute-Nacht-Geschichten & Schokocroissant, Coffy & Ringe unter den Augen.

Nach sieben Stunden Messemarathon auf der Modemesse Bread & Butter liege ich in der Pension Bella auf dem Bett, ein Becks in der Hand, Sandra auf der anderen Betthälfte und wir lachen. Hat was von Klassenfahrt – ein Mädelswochenende in Berlin! Das Zimmer ist nett gesagt charmant, ehrlich gesagt schrottig, ein Drittel vom Raum ist abgetrennt, die Trennwand allerdings nicht bis zur Decke hochgezogen, sondern auf halber Strecke abgesägt, sodass eine Klokombüse den Raum schmückt. Spült man, erzeugt das so einen Unterdruck, dass es durch Mark und Bein röhrt. Auch wenn der Nachbar spült. Auch nachts. Und früh morgens.
Nach einer Stunde sitzen wir in der Volksbühne, Niels Frevert singt von sprechenden Messern und Sehnsucht, wir kuscheln uns in die roten Plüschsitze und trinken unser zweites Feierabendbier. Schön und schluffig schraddelt Frevert sein Programm, das Publikum mag ihn. Der Song, wegen dem ich hier überhaupt sitze, den hat er etwas eilig und trotzdem – „Wann kommst Du vorbei, lehnst Dich an mich, Du hast mein Herz so unaufgeräumt …“ Gänsehaut stellt sich ein, das Konzert hat sich in diesem Moment gelohnt, egal was da noch kommen mag.
Als Hauptband kommt Erdmöbel auf die Bühne. Selten eine so skurrile Band gesehen, der Gitarrist linst leicht irre grinsend durch die Publikumsreihen, und das erste Lied geht gar nicht. Doch „Russischbrot und Küsse …“ – das ist schön.

Auch schön ist, wenn man merkt, dass man etwas gut kann. Feiern zum Beispiel. Allerdings ist es hier schwierig, eine Entscheidung dagegen oder dafür zu fällen, wenn man doch kein Talent dafür hat. Zweimal hab ich mich mit Gitarre lernen abgemüht, stellt fest, das ist nicht meins – und habe es gelassen. Stört mich, aber mäßig. Doch würde ich fest stellen, dass ich nicht gut feiern kann, würde ich es dann tatsächlich eines Tages einfach sein lassen können?
Eigentlich auch egal – denn ich mache hier auf meiner Lebensliste ein Häkchen mit Plus. Selbst wenn eine Stunde 6-Tage-Rennen auf dem Amüsierplan steht.
Es ist heiß in der Halle, und unglaublich laut. Motorräder mit stehenden Menschen an den Lenkern rasen im Kreis, dahinter jeweils ein Radrennfahrer, auf der Werbetafel wird „Der große Preis der Steher“ eingeblendet. An mir läuft eine Frau mit hautenger Jeans, zugepastetem Gesicht und bis zur Starre gebleichten Haaren vorbei. Ihre Hose sitzt so tief, dass man froh sein kann, dass sie sie überhaupt zumacht, auf hohen Absätzen schiebt sie sich durch die Menge, die Freundin an ihrer Seite sieht aus wie die B-Seite der schlechten A-Seite. Aber sie sind jung, schlank und willig. Fragt sich nur, was sie wollen? Denn schaue ich mich im Radel-Rondel um, stehen fast nur alte, unattraktive Männer an den Tresen, mit Trillerpfeiffen im Mund und Alkohol in der Hand. Ich stelle mir solche Typen beim Harken des Vorgartens ihres Campingdauerplatzes vor, doch weit gefehlt – hier steht angeblich das Geld, wofür die Mädels sich so ins Hohlkreuz werfen. Alle weiteren Vorstellungen möchte ich meiner Fantasie ersparen.

Nach einer weiteren langen Nacht, durchtanzt und durchquatscht im Coffy, einem Sixties-Soul-Laden, schlurfen wir in die Pension Bella, um unsere Sachen zu packen. Da wir erst um halb Elf dort ankommen, lohnt sich Hinlegen nicht mehr wirklich und so setzen wir uns direkt an den Frühstückstisch. Es ist so still im Raum, dass eine Unterhaltung unmöglich ist. Mit roten Augen, übermüdet und albern gackern wir unser Frühstück in uns hinein, sagen Zimmer Nummer Sieben „Tschüss“ und laufen zum Bahnhof Zoo.
Mehr oder weniger schlafend überstehen wir die Zugfahrt und steigen Dammtor aus, die Winterlandschaft der Wallanlagen vor meinen Füßen. Kurzerhand entschließe ich mich, durch den Park zu gehen, um nach Hause zu kommen, alles ist bedeckt von Schnee, Kinder schlittern auf dem zugefroreren See, die Luft klirrt leise vor sich hin, die Sträucher im Rosengarten haben Mützen auf, alles friert.
Langsam bummel ich die Wege entlang, der Trolly ächzt durch den bedeckten Weg. Ich hatte durchaus schon bessere Ideen, als einen Koffer durch schneebedeckte Pfade zu ziehen, doch ich halte mich wacker.

Link zur Gallerie gibt es bei netter Anfrage an 2boots@gmx.de. Vielleicht.

Song des Tages: Damian Rice, „The Blowers Daughter“

Wir sind ganz bestimmt nicht Papst

Ein kleiner Ausschnitt von Benedikts Rundbrief, der gestern veröffentlicht wurde.
ENZYKLIKADEUS CARITAS EST VON PAPST BENEDIKT XVI.
AN DIE BISCHÖFE AN DIE PRIESTER UND DIAKONE
AN DIE GOTTGEWEIHTEN PERSONEN UND AN ALLE CHRISTGLÄUBIGEN ÜBER DIE CHRISTLICHE LIEBE

ERSTER TEIL /DIE EINHEIT DER LIEBE IN SCHÖPFUNG UND HEILSGESCHICHTE
„Deshalb ist der trunkene, zuchtlose Eros nicht Aufstieg, ,,Ekstase’’ zum Göttlichen hin, sondern Absturz des Menschen. So wird sichtbar, daß Eros der Zucht, der Reinigung bedarf, um dem Menschen nicht den Genuß eines Augenblicks, sondern einen gewissen Vorgeschmack der Höhe der Existenz zu schenken — jener Seligkeit, auf die unser ganzes Sein wartet.“

Der Begriff „Absturz“ ist gar nicht mal so doof gewählt, aber „Eros bedarf der Zucht, der Reinigung“?? Und was dann? Nur noch Kuschelsex?

Dank an Joshuatree für diese Themenanregung!

Wir sind Bokal!

Erst Berlin, jetzt Bremen – Pauli putzt sie weg!
Dass ich mal Tränen in den Augen habe wegen eines Fußballspiels, hätte ich im Leben nicht gedacht. Ebenso wenig, dass ich mal betrübt sein werde, NICHT im Stadion dabei sein zu können.
Pauli – Du bist ein einziges großes Kämpferherz! 3:1!!! Jetzt geht alles!!

Wenig Zeit für mehr Geschreibsel, aber werft doch einen Blick in Matthias‘ Blog, siehe Linkliste „Die Rückseite der Reeperbahn“ – eine schöne, braun-weiße Zusammenfassung.

Song des Tages: Millerntor-Chor vor meinem Fenster, „You’ll Never Walk Alone“

Bryan, Rod & Tina


Möchte mich jemand quälen, müsste er mich an einen Stuhl festbinden, eine Leinwand aufziehen und 24 Stunden Musikvideos von Bryan Adams, Rod Stewart und Tina Turner spielen. Bereits nach drei Stunden würde ich diverse Verträge unterschreiben, nicht haltbare Versprechungen machen und Geständnisse ablegen für Dinge, die ich nie getan habe.
Als vor ein paar Tagen meine heißgeliebte Sendung „Formel Eins“ lief und Thomas Anders ein 80er-Special ankündigte, klappten mir die Zehennägel hoch – Bryan Adams. Und ich spreche nicht von „Run to you“, sondern von den glitschig triefenden Heulballaden, in denen Adams geschminkt und mit leidendem Blick gen Himmel durch den Film röhrt.
Der Gipfel des Horrors endete mit der Traumkombi Rod Stewart, Bryan Adams und – Sting! Statt Sting hätte allerdings dort Tina Turner ihren Platz einnehmen müssen für das „All for One“-Heldengeschrei. Sofort kam wieder der Reflex in mir hoch, Dinge zu versprechen, Sachen unterschreiben zu wollen, nur damit jemand mich erlöst. Doch ich hatte Glück – die Fernbedienung lag in meiner Hand.

Fundstück des Tages: Novocane in der Prinzenbar. Wir waren zwar nicht so erfolgreich wie oben genannte, aber wir sahen verdammt gut dabei aus.

Song des Tages: Jewel, „Break Me“