… wiederkommt. Ins Alma Hoppe Lustspielhaus in Hamburg. Alfons hat eine Zahnlücke, etwas schmierige Haare und einen Bauchansatz. Alfons ist hinreißend. Denn Dialekt und Dackelblick reißen es raus. Ein Franzose unterwegs, den Mitbürgern mit lustigen und normalen Fragen dumpfe Anworten entlockend, deckt er die manchmal erheiternde, manchmal erschreckende Volkesmeinung auf. Wo bei den meisten Menschen ein Gehirn vor sich hin wabert, befindet sich bei einigen anscheinend eine Müllverbrennungsanlage.
Alfons, der Franzose, steht vorne auf der Bühne, in orangener Jacke. Wir sitzen an einem großen Tisch mit anderen Gästen, die wir nicht kennen. Links von uns ein älteres Paar, welches guckt, als hätte es am liebsten einen Zweiertisch ergattert, rechts von uns Typen, die gucken, als ob sie lieber mit uns an einem Vierertisch sitzen würden. Bei jedem Witz, auch wenn es keiner war, dreht sich der Mann neben mir um, lacht mir ins Gesicht und gibt einen Kommentar ab. „Hahaaaa – herrrrrlich!“ oder „Ja, genauuu! Der war gut!“ Ich möchte nicht genervt sein, denn da vorne steht doch Alfons, doch ich bin es und rücke ein Stück nach hinten, damit er den Kopf nicht mehr drehen kann. Weit gefehlt, er ist gelenkig. Wie eine erstarrte Feldmaus glotze ich an seinem Gesicht vorbei auf die Bühne, doch es nützt nichts. Kurz überlege ich, ob ich pingelig bin, doch ich kann meinen Gedanken nicht hören, er wird übertönt vom Grunzen neben mir. Alfons setzt zu einem Satz an, wirklich – überhaupt noch nicht komisch, da brüllt der Mann, lacht mir ins Gesicht, die Hand haut auf den Schenkel. Jeder amüsiert sich anders. Aber bitte nicht in meine Richtung.
Menschenscheu wäre das falsche Wort, ich mag eben Abstand. Stehe ich im Bus, versuche ich mich immer so hinzudrehen, dass ich niemanden berühre, im Sommer ganz besonders, bekomme ich doch Gänsehautentzündung, wenn mir ein nasser Unterarm an der Hand klebt. Wenn ich dann noch rieche, was mein Busnachbar zum Frühstück hatte oder gestern zum Abendbrot, wie lange er nicht geduscht hat und was er für ein After Shave benutzt, dann würde ich lieber bis nach Mekka pilgern statt Bus zu fahren.
Doch zurück zu Alfons. Ich möchte ihn empfehlen. Auf Alfons‘ Website stehen seine Tourdaten. Geht hin!
Als ich um etwa zehn Uhr zum Auto laufe, ist es mindestens sechs Grad minus. Und doch überwinde ich mich, ziehe einen meiner dicken Fellhandschuhe aus und halte dieses Nachtidyll „Schornstein raucht in die Dunkelheit“ fest.
Song des Tages: Live, „Turn My Head“
Fast tragisch zu lesen, daß die nach Aufmerksamkeit heischenden Bemühungen des Tischnachbarn so gar nicht auf Dein Wohlgefallen stießen. Aber durchaus verständlich, denn gerade in politischen Kabaretts tummelt sich ab und an eine Spezies Mensch, die oft lautstark kommentierend und allumfassend bewertend dem angekündigten Künstler die Show zu stehlen scheinen. Diese Spezies erkennt man wohl genau an den entnervten Gesichtern der Besucher im engeren Umkreis.
Ohne mich dieser Spezies Mensch zuzuordnen, muss ich aber gestehen: Ich hatte vor einiger Zeit bei Erwin Grosche einen heftigen Lachanfall, der zu einer ca. 20sekündigen Verzögerung des Programms führte …
So etwas stößt bei mir nicht auf Unverständnis, ich kann Lachanfälle, vor allem unkontrolliert ausufernde, durchaus nachvollziehen.
Vielleicht war ich auch zu unentspannt was meinen Sitznachbar angeht. Ich lache gern mit anderen, durchaus auch mit Fremden, aber irgendwie ging mir der Typ einfach auf die Synapsen!