Empathiebulldozer

„Mama, Frau U. sagt, Simba und Charly – die werden sich nicht mit den Hunden vertragen. Stimmt das?“, die Unterlippe meiner Tochter zittert, der Gedanke daran, dass etwas dem Einzug unserer neuen Familienmitglieder im Weg stehen könnte, treibt ihr die Tränen in die Augen.

Wie bitte? Was hat sie gesagt? Woher weiß sie denn das? Und vor allem: Warum äußert sie das? „Also meine Mimi mag gar nicht mehr in den Garten gehen, seitdem der Nachbar einen Hund hat. Hunde und Katzen – die vertragen sich nun wirklich nicht. Das KANN nicht klappen.“
Und dieses wertvolle Pseudowissen muss sie einem kleinen Mädchen, welches euphorisch vor ihr steht, aufs Pausenbrot schmieren? Doch sie ist leider nicht die Erste und die Einzige, die so denkt und so handelt. „Ihr selbstgerechten Klugscheißer!“, möchte ich brüllen. Da steht eine Siebenjährige, die mit leuchtenden Augen von ihren neuen Haustieren erzählt – und ihr könnt nicht einfach mal die Klappe halten? Oder sagen „Ach, das wird schon“? Da muss ein Erwachsener im tiefsten Bereich seines Suppentellers umher stolzierend, nicht den Rand und erst recht nicht darüber hinaus sehen könnend, seine Erfahrung als allgemeingültige Regel einem Mitmenschen vor den Latz knallen?

Niemals müde werde ich, meinen Kindern zu erklären, dass alle Menschen verschieden sind, dass jeder Mensch basierend auf seiner Lebenserfahrung, seines Charakters und äußerer Umstände unterschiedliche Erfahrungen macht und dieselben Dinge grundverschieden erleben, sehen und fühlen kann – und dann kommen regelmäßig Empathiebulldozer und walzen einfach rüber über die gepredigte Vielfalt. Wie arrogant, wie überheblich, wie vermessen.
Davon auszugehen, dass der eigene Erfahrungshorizont der Maßstab für alles und jeden ist, macht nicht nur unsympathisch, es wirkt auch dumm. In diesem Fall herzensdumm. Kein Gedanke daran, was man bei dem anderen anrichtet, wie das Gegenüber sich fühlen muss, wenn man seinen kleinen Mikrokosmos ungefragt als Nabel der Welt darstellt. Und das auch noch völlig überflüssig. Diese Äußerung hatte keinen Mehrwert, hatte keinen Nutzen, es gab keinen guten Rat. Nur daher geplappertes, unreflektiertes, eindimensionales verbales Erbrechen.

Ob sich Hund und Katz verstehen? Ich hörte, dass sich da ein Pudel und eine Katze nicht riechen können. Und ich bekam von einem Boxer erzählt, der mit dem Kater sein Körbchen teilt.
Vor unserer Haustür sehe ich ab und zu Katzen, die unbeeindruckt an Hunden vorbei stolzieren, während diese gelangweilt in die Luft schnüffeln.
Doch laut Frau U. hat ihre Erfahrung eine allgemeine Gültigkeit – ihre Mimi mag immerhin nicht mehr in den Garten, seitdem der Nachbarhund am Zaun sitzt.
Liebe Frau U., vielleicht ist es auch so: Vielleicht ist Mimi einfach ’ne Pussy.

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