„Na, auch im Weihnachtsstress?“ Nö. Nicht, weil bei mir immer alles entspannt wäre, aber Weihnachten und Stress? Dazu habe ich keine Lust mehr. Der optimale Gänsebraten, der perfekte Baum, das glänzende Haus – das kann toll sein! Muss aber nicht sein, damit es toll wird. Die schöne Stimmung, die lauten Lieder, die leuchtenden Augen – die dürfen für mich nicht fehlen. Und die gibt es nicht zwingend durch einen straff organisierten Rahmen, der nur steht, weil ein oder zwei Menschen im Raum Augenringe bis nach Paris haben und ständig am Gähnen sind.
Mir fällt immer wieder auf, dass Viele davon sprechen, wie stressig diese besinnliche Zeit ist, wie viele Termine man doch hat und wie überfüllt alles ist – der Kalender, der Kopf, die Taschen, die Nerven.
Warum ist das so? Weil alles zu diesem Zeitpunkt im Jahr besonders perfekt sein muss? Allein der Satz „Wollen wir uns vor Weihnachten noch mal treffen?“ Und dann hektische Flecken, wenn man den gemeinsamen Glühwein nicht mehr schafft. Als gäbe es kein „Danach“, kein Leben nach dem Weihnachtsmarkt.
Woraus entsteht dieser Anspruch, dieser Druck, den sich jeder selber macht? Und wie schnell steckt man da bitte selber drin? Wenn ich an frühere Heiligabende denke – an die aufwändigen Essen, kompliziert einkaufen, zwei Stunden kochen – und die Hoffnung, dass die Kinder es schaffen, nach all der Aufregung fünf Minuten am Tisch zu sitzen, ohne mit dem Gesicht in den Teller zu fallen. Und dann? Schnell noch ne Gabel in den Mund schieben, kauend aufstehen und Nummer Eins ins Bett bringen, zwischendurch beruhigende Rufe zu der wartenden Runde: „Komme gleich! Esst ruhig weiter!!“
Wieder runter, das lauwarme Essen weiter essen, „Mama-Rufe“ von oben, also wieder rauf, wieder kauend, schnell noch einen Schluck Rotwein hineinschütten und das Kind in den Schlaf schaukeln. Nach gefühlten drei Tagen wieder runter und das kalte Essen zu Ende essen. Zwei Runden Heiligabend auf diese Art – und ich schwor mir und allen Beteiligten: Das ändert sich. Heiligabend gibt es jetzt Raclette. Und diese eine Ecke da, die schaffe ich trotz der gewonnenen Zeit manchmal nicht aufzuräumen, so wie an den anderen 362 Tagen im Jahr auch.
Oh. Und was ist mit dem Weihnachtsbaum? Hab ich noch nicht. Ich wollte auf den Tag warten, bis ich ihn mit meinen Kinder gemeinsam kaufen kann… zwischen Arbeit, Schule, Hobbys und chronischem „Oh. Mist. Vergessen“, kann es bis eine Woche vor Weihnachten dauern. Da bekommt man nur noch die verwachsenen Restmodelle, die kümmerlichen Exemplare mit den krummen Spitzen und den kahlen Stellen – die, die keiner wollte? Dann gibt’s eben ne Portion mehr Lametta an die Nadeln! Wird eh der schönste Baum in Hamburgs Osten – weil die Kinder ihn alleine schmücken und alle Geschmacksgesetze außer Kraft setzen werden.
Mir sagte mal jemand vor längerer Zeit: Kippe den Anspruch auf 100 Prozent, 85 reichen. Chapeau! Und nun erfreue ich mich an der Weihnachtszeit, ich freue mich auf Weihnachten. Ich war auf ein paar Weihnachtsveranstaltungen, aber nicht auf allen (das wäre ja in Stress ausgeartet). Ich habe alle Geschenke, nicht fünf Wochen vorher, aber ohne Stress. Ich kaufe erst nächste Woche ein, das reicht. Bude wird natürlich aufgeräumt und geputzt – so weit wie ich es schaffe. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Vor ein paar Tagen haben wir beschlossen, ein paar Schulfreunde der Kinder mit netten Eltern am Wochenende vor Heiligabend einzuladen – eine kleine Vorweihnachstparty soll es werden. Es haben fast alle zugesagt – und nun kommen etwa 14 Erwachsene und 15 Kinder. Drei Schulfreunde durften ursprünglich hier übernachten, jetzt werden es sechs. Vorbereitung? Klar. Klappt schon.
Und um Himmels willen – was ist denn nun mit dieser rummeligen Ecke da? Dazu fällt mir mein neuer Lieblingssatz ein: „Is mir egal, ich lass das jetzt so.“