Geschmackliche Mutproben sind momentan an diversen Balkonen und Fenstern zu betrachten. Von weihnachtlicher Beschaulichkeit keine Spur: Diskofieber passt eher – es blinkt, es zittert, läuft und blitzt – und vor allem: hell! Sowas von hell! Ich stelle mir vor, wie es hinter diesen Dekokatastrophen aussehen muss. Bei Lichtgewitter schön eine Flasche Pils öffnen und es sich im blauen Blinklicht so richtig gemütlich machen. Das muss doch auf’n Kopf gehen.
Vorgestern fuhr ich dann am Megabalkon vorbei, ich bin fast vom Rad gefallen, so sehr hat es mich geblendet: Oben Lichterketten, unten Lichterketten, an den Seiten, im Fenster leuchtete es auch, der totale Wahnsinn. Und doch noch nichts gegen den lustigen Lokomotivzug in der Thadenstraße, der rot-grün-blau strahlend am Balkongitter befestigt ist, gleich unter dem Weihnachtsmann, der auf einem Halbmond reitet und dem Weihnachtsmann, der mit einem Fallschirm am Rücken von der Decke hängt. Meine Güte. Leider war der Akku meiner Kamera leer, aber das hole ich nach!
Die kleine Musikhalle ist da deutlich dezenter, nämlich gar nicht geschmückt. Auf der schlichten Bühne stand gestern Martin Fröst, Klarinettenwunder aus Schweden, mit Roland Pöntinen am Klavier. Schönes von Schumann und Ravel, sowie moderne Stücke von Fredrik Högberg und Anders Hillborg, die in meinen Ohren gewöhnungsbedürftig aber spannend waren. Dazu die Performance von Fröst, man kann es kaum erklären – ich habe noch nie jemanden so virtuos mit seinem Instrument umgehen sehen und hören. Olivier Messiaen wird allerdings nicht mein Lieblingskomponist, das Stück klang, als wenn ein Fünfjähriger auf der Tastatur herumrutscht.
Halbvoller Saal und doppelter Applaus, ein großartiger Abend.
Song des Tages: Nancy Sinatra, „Sugar Town“